Euro auf Rekordkurs:Das ungewollte Kursfeuerwerk

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Die Devisenhändler schrecken auf: US-Finanzminister Snow, grundsätzlich Befürworter eines starken Dollar, hat die Vorteile einer schwachen Währung hervorgehoben. (vom Mai 2003)

Der Euro klettert historischen Höchstständen entgegen und lässt mit seinem Höhenflug die ersten Warnglocken in Politik und Wirtschaft läuten. Am Montagmorgen wurde die Gemeinschaftswährung vorübergehend mit 1,1621 notiert, bevor sie im Handelsverlauf wieder leicht nachgab.

Es war der höchste Stand seit über vier Jahren. Den Euro trennen damit nicht einmal mehr drei Cent von seinem bisherigen Allzeithoch am 4. Januar 1999, als er drei Tage nach seiner Einführung im Handelsverlauf bei 1,1884 notiert wurde.

Die US-Währung zeigte sich am Montag auch gegenüber dem japanischen Yen und dem Schweizer Franken schwächer.

Marktbeobachter führten diese Entwicklung auf Aussagen von US-Finanzminister John Snow vom Wochenende zurück. Dieser hatte erklärt, ein schwächerer Dollar könnte den US-Exporten helfen. Analysten sehen darin ein Signal, dass die US-Regierung zumindest in naher Zukunft keinen starken Dollar befürworten werde.

Sorge vor der Volatilität

Die EU-Kommission sieht die Euro-Entwicklung nach eigenen Angaben gelassen. "Wir sind durch eine lange Periode gegangen, in der wir dachten, der Euro sei unterbewertet", sagte Kommissionssprecher Gerassimos Thomas am Montag in Brüssel. Jetzt werde dies korrigiert. Entscheidend sei dabei die Volatilität, also die Geschwindigkeit der Korrektur. Eine zu große Volatilität sei nicht gut, sagte Thomas.

Die deutsche Autoindustrie erklärte, der Euro-Dollar-Wechselkurs habe ein Niveau erreicht, das er zu Beginn des Jahres 1999 bereits einmal hatte. "Auch mit der damaligen Situation ist man fertig geworden", sagte Bernd Gottschalk, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA). Was Sorge an der derzeitigen Entwicklung mache, sei jedoch die Dynamik des Anstiegs.

Die Devisen-Analystin Alexandra Bechtel von der Commerzbank erklärte, Snows Äußerungen zeigten, dass von den USA keine Intervention zu Gunsten des Dollars zu erwarten sei. Auch von Seiten der EZB werde es keine Intervention geben werde, bis der Euro seinen Einführungskurs übersteige.

Der Chefvolkswirt der britischen Großbank Barclay's Capital, Thorsten Polleit, bezeichnete den Wert von 1,15 Dollar als "Schmerzgrenze". Der starke Euro führe aber "zu keinen großen negativen Effekten für die deutsche Wirtschaft". Grundsätzlich verblieben die deutschen Exporte zu 60 Prozent im europäischen Binnenmarkt.

Mehrere Faktoren Ursache für Euro-Höhenflug

Zum Höhenflug des Euro haben nach Meinung von Devisenexperten gleich mehrere Faktoren beigetragen. Zum einen haben immer mehr Anleger Sorgen vor der weiteren Entwicklung der US-Konjunktur und der Finanzmärkte.

Wenn diese Investoren ihre Gelder aus den USA zurückziehen, verkaufen sie Dollar und üben zusätzlichen Druck auf die US-Währung aus. Ein weiterer Faktor ist das höhere Zinsniveau in Europa, das ebenfalls zu einem Zufluss von Geldern aus den USA führt. Dort haben die Zinsen inzwischen den tiefsten Stand seit vier Jahrzehnten erreicht.

Die meisten Analysten vertreten die Ansicht, dass es sich bei der derzeitigen Entwicklung eher um eine Dollar-Schwäche als um eine Euro-Stärke handelt und verweisen auf das nach wie vor nur moderate Wirtschaftswachstum in Europa.

Über die weitere Entwicklung herrscht Uneinigkeit: Einige Devisenexperten halten den Zenit des Euro-Höhenflugs bald für erreicht, andere dagegen sehen den Euro bis Jahresende bei 1,20 Dollar.

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