EU-Stabilitätspakt:Deutschland droht ein verschärftes Defizitverfahren

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Wegen der anhaltend hohen Neuverschuldung könnte Deutschland strenge Haushaltsauflagen durch die Europäische Union verordnet bekommen. Finanzminister Eichel erwartet inzwischen auch für 2006 einen Bruch des EU-Defizitkriteriums.

EU-Währungskommissar Joaquín Almunia sagte am Rande des EU-Finanzministertreffens in Brüssel, dass eine Wiederaufnahme des Defizitverfahrens im Herbst möglich sei.

Finanzminister Eichel wirft der Union Blockadepolitik bei der Kosolidierung des Bundeshaushalts vor. (Foto: Foto: DDP)

Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) zeigte angesichts der dramatischen Haushaltslage Verständnis für diese Überlegungen, machte aber die Opposition für die Lage verantwortlich.

Derzeit liegt das Defizitverfahren gegen Deutschland auf Eis. Eichel sagte, Deutschland hätte für 2006 sehr wohl einen Haushalt vorgelegt, der dem Stabilitätspakt entspreche, hätte die Opposition seinen Plänen zugestimmt.

Eichel sieht sich blockiert

"Wir haben alle nötigen Vorschläge gemacht, andere haben sie blockiert", sagte der Minister. "In der politischen Konstellation (...) sind mir die Hände gebunden." Auch nach dem neuen, im März gelockerten Stabilitätspakt gilt als Höchstgrenze für die Neuverschuldung 3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP).

Ohne weitere Maßnahmen werde Deutschland 2006 eine Neuverschuldung von 3,4 Prozent des BIP aufweisen, sagte Eichel. Die Opposition habe eine Entlastung in Höhe von 12,5 Milliarden Euro blockiert. Er sicherte zu, die Schätzungen für 2006 rechtzeitig Anfang September nach Brüssel zu melden.

"Es wird nichts beschönigt und nichts verschleiert", sagte Eichel. "Wer auch immer die Regierung stellt, muss nach der Bundestagswahl handeln." Almunia betonte, für seine Entscheidung sei nicht wichtig, wer künftig die Regierung stelle, sondern das der Trend der zu hohen Neuverschuldung bis 2007 gebrochen werde.

Gebrochenes Versprechen

Die Bundesregierung hatte sich ursprünglich verpflichtet, in diesem Jahr das Haushaltsdefizit wieder unter 3 Prozent zu drücken. Er habe mit Eichel gesprochen, der 2005 von einer Neuverschuldung in Höhe von 3,7 Prozent des BIP ausgeht.

Nach der Lockerung des Stabilitätspaktes, dessen neuer Text am 27. Juli in Kraft treten wird, hat Almunia zwei Möglichkeiten. Bei der ersten Variante kommt er zu dem Schluss, dass Deutschland zu wenig unternommen hat, um das Defizit abzubauen. Dann könnte er das Verfahren vorantreiben.

Konjunkturprognose als Ausweg

Dem müssten die EU-Staaten mehrheitlich zustimmen. Bei der zweiten Variante müsste Deutschland nachweisen, dass die ursprüngliche Konjunkturprognose deutlich vom tatsächlichen Wachstum abgewichen ist.

Dann könnte die Bundesregierung - ohne Verschärfung des Verfahrens - versuchen, die Entwicklung 2007 zu korrigieren. "Die erste Möglichkeit ist doch die wahrscheinlichere", sagte Almunia.

Deutschland und auch Frankreich waren mit dieser Situation schon im November 2003 konfrontiert gewesen. Damals verhinderten sie eine Verschärfung des Verfahrens und legten es mit der nötigen Mehrheit im Ministerrat auf Eis. Die Kommission klagte daraufhin vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg.

Der gab beiden Seiten teilweise Recht. Um eine Eskalation des Streits zu verhindern, wurde die Reform des Stabilitätspaktes angeschoben. Den neuen Pakt segneten die EU-Staats- und Regierungschefs im vergangenen März ab.

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