EU-Richtlinie:Brüsseler Streit um Sonnen-Schein

Lesezeit: 2 min

Heute verhandelt das EU-Parlament über einen erhöhten Strahlenschutz für Arbeitnehmer. Sollte die neue Richtlinie beschlossen werden, müssten deutsche Firmen für die über drei Millionen "Freiluft-Arbeiter" einen besseren Schutz vor der krebserregenden UV-Strahlung gewährleisten. Und Europa wäre wieder um ein wenig Bürokratie reicher.

Frederic Huwendiek

Nach WHO-Angaben erkranken weltweit jährlich zwei Millionen Menschen an Hautkrebs. Allein in Deutschland sind das Jahr für Jahr 100.000 Menschen, die von den verschiedenen Formen des Hautkrebses betroffen sind.

Sonnenbadende in Frankfurt am Main: Allein in Deutschland erkranken jährlich 100.000 Menschen an Hautkrebs. (Foto: Foto: AP)

Über 22.000 Neuerkrankungen entfallen davon auf die schwerste Form dieses Leidens, den so genannten schwarzen Hautkrebs. Schuld daran soll - nach Auffassung der Wissenschaft - die ultraviolette Strahlung der Sonne sein.

Millionen Menschen arbeiten in Deutschland ausschließlich oder zeitweise im Freien, Bauarbeiter, Kellner, Bademeister - und sind damit den Sonnenstrahlen besonders intensiv ausgesetzt. Ob und wie sich diese Freiluft-Arbeiter vor der UV-Strahlung schützen, ist bislang ihre eigene Entscheidung. Der Arbeitgeber ist weder zur Aufklärung über die Gefahren der ultravioletten Strahlung, noch zu weitergehenden Schutzmaßnahmen verpflichtet.

All das soll die neue EU-Richtlinie 'über Mindestvorschriften zum Schutz von Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer vor der Gefährdung durch physikalische Einwirkung (optische Strahlung)' ändern. Arbeitgeber sollen verpflichtet werden, eine Gefährdungsbeurteilung für jeden Angestellten zu erstellen. So genannte UV-Expositionsgrenzwerte sollen den Orientierungsrahmen dafür bilden. Kleidungsvorschriften sieht die Richtlinie nicht vor.

Die meisten Schutzmaßnahmen beziehen sich de facto auf den Schutz vor künstlicher Strahlung - beispielsweise für Arbeiten mit Lasern oder Neonröhren. Doch über diese besteht breiter Konsens im Europäischen Parlament.

Abschaffung des mündigen Arbeitnehmers?

Über die UV-Schutzmaßnahmen wird allerdings heftig gestritten: Vertreter der EVP und der Liberalen kritisieren die hohen Kosten, die entstünden, wenn man die Richtlinie in die Realität umsetzen wolle. Gerade bei kleinen und mittleren Betrieben würden durch die unverhältnismäßig hohen administrativen und finanziellen Belastungen Arbeitsplätze gefährdet.

Der CDU-Europa-Abgeordnete Thomas Mann sieht in der Richtlinie gar die "Abschaffung des mündigen Arbeitnehmers". In einer gemeinsamen Pressemitteilung von BDA, BDI, DIHK und ZDH bezeichnen die Arbeitgeber-Vertreter die neuen Reglementierungen als "realitätsfremd und überflüssig" und fordern: "Regulierungsirrsinn stoppen!"

Arbeitgeber haben viele Freiheiten

Abgeordnete der SPD und die IG BAU verweisen auf die relativ offen gehaltenen Maßnahmen des Richtlinienpapiers. In der von der Richtlinie verlangten Risikoabschätzung könne sich der Arbeitgeber auf seinen gesunden Menschenverstand verlassen und auf allgemein bekannte Informationen stützen. Teure medizinische Messungen seien nicht von Nöten. Des Weiteren würde eine aktuelle Studie des Heidelberger Berufs- und Umweltdermatologen Prof. Dr. Thomas Diepgen belegen, dass eine berufliche UV-Belastung zu einer Verdoppelung des Krebsrisikos führe. Eine EU-weite Regelung sei somit dringlich.

Auch der Europäische Rat und das Europäische Parlament stehen sich unversöhnlich gegenüber: Im April diesen Jahres hatten alle 25 Mitgliedsländer im Rat dem Richtlinienvorschlag zugestimmt. Im Parlament wird sich aber wahrscheinlich keine Mehrheit für das Papier finden. Es wird dann in den Vermittlungsausschuss gehen, weil die konservative EVP-Fraktion den Sonnenschutz regelnden Teilen der Richtlinie nicht zustimmen wird.

Dirndl, adieu?

Das Dirndl werden die Oktoberfest-Bedienungen jedenfalls auch weiterhin tragen dürfen - auch wenn diese Richtlinie irgendwann in Kraft treten sollte. Das vermeldete die Europäische Kommission in einer Pressemitteilung.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: