EU: Radikales aus Frankreich:Sarkozy bringt Staat in die Industrie

Lesezeit: 2 min

Staatsfonds und eine Teilverstaatlichung von Schlüsselindustrien - mit radikalen Maßnahmen will Sarkozy die Wirtschaftspolitik der Euro-Zone reformieren.

Es ist nicht weniger als eine Revolution, was in diesen Tagen von Frankreich ausgeht. Staatspräsident Nicolas Sarkozy stellt sich an die Spitze einer Bewegung, die eine Reform der europäischen Wirtschaftspolitik fordert. Seine Pläne sind radikal. Denn Sarkozys Meinung zufolge hat die Finanzkrise das Fehlen einer europäischen Wirtschaftsregierung offenbart.

Nicolas Sarkozy: "Wir haben keine Wirtschaftsregierung, die den Namen verdient." (Foto: Foto: Reuters)

Diese Lücke müsse mit einem regelmäßigen Zusammentreffen der Staats- und Regierungschefs der Euro-Zone gefüllt werden. "Die Krise ruft uns dazu auf, die europäischen Institutionen zu reformieren", erklärte der französische Präsident im Europäischen Parlament in Straßburg. Sarkozy forderte die EU-Staaten zu einer gemeinsamen Antwort auf die Wirtschaftskrise auf, die der Finanzkrise auf dem Fuß folge.

Dass Sarkozy eine europäische Strategie gegen die Finanzkrise fordert, ist nicht neu. Neu sind die Maßnahmen, die er erwägt. Denn der französische Präsident will Staatsfonds nach dem Vorbild von arabischen und asiatischen Länder gründen - so könnten die Regierungen bei europäischen börsennotierten Unternehmen einsteigen.

Schutz vor dem Ausland

Auf diese Weise will Sarkozy europäische Unternehmen retten. Sonst drohe angesichts der historisch niedrigen Aktienkurse ein Ausverkauf an ausländische staatliche Investoren. "Ich möchte nicht, dass die europäischen Bürger in einigen Monaten aufwachen und entdecken, dass die europäischen Gesellschaften nicht-europäischen Hauptstädten gehören", betonte Sarkozy.

Später könnten die europäischen Fonds ihre Anteile wieder mit Gewinn verkaufen.

Die Finanzkrise hat erstmals seit Beginn der Währungsunion 1999 die Spitzenpolitiker der Euro-Länder dazu gebracht, gemeinsam Maßnahmen für den Finanzsektor zu erlassen. Notleidende Banken sollen mit Kapitalspritzen und Garantien für Kredite vor dem Aus gerettet werden. Bisher gab es für diesen Bereich nur Treffen der Finanzminister. Doch diese hätten die Krise nicht alleine stemmen können, sagte Sarkozy. "Wir haben keine Wirtschaftsregierung, die den Namen verdient. Wir können so nicht weitermachen."

"Die Krise ist da"

Eine solche Wirtschaftsregierung müsse auch den Dialog mit der Europäischen Zentralbank (EZB) führen. "Die Bank muss unabhängig sein, aber damit wir richtig handeln können, muss die Bank in der Lage sein, mit einer Wirtschaftsregierung zu diskutieren."

Eine andere Geldpolitik sei möglich, ohne die Unabhängigkeit der EZB zu untergraben. Sarkozy fordert schon lange eine Wirtschaftsregierung in der Währungsunion. Doch stand er damit bisher alleine da. Vor allem die Bundesregierung ist aus Sorge um die politische Unabhängigkeit der EZB dagegen.

Die Finanzkrise hat der realen Wirtschaft nach Einschätzung Sarkozys schon einen Schlag versetzt: "Die Krise ist da, es ist sinnlos, sie vorherzusagen, wir erleben sie schon." Auch EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso betonte, Tag für Tag werde deutlicher, dass Europa vor einem scharfen Abschwung stehe.

Sarkozy bekräftigte seine Ankündigungen vom EU-Gipfel, die europäische Autoindustrie müsse angesichts der Vorteile der US-Konkurrenten unterstützt werden. Die US-Regierung will den Autobauern zinsgünstige Kredite im Volumen von 25 Milliarden Dollar zur Entwicklung abgasarmer Autos zur Verfügung stellen.

"Europa braucht eine starke Industrie, und die Präsidentschaft kämpft dafür", versprach er.

Neue Prinzipien

Die US-Regierung hat Sarkozy inzwischen für einen Welt-Finanzgipfel gewonnen. Nun will er mit Barroso nach China reisen, um die Regierung in Peking einzuladen. Auch andere große Schwellenländer wie Indien, Brasilien, Südafrika und Mexiko sollen an dem Treffen mit den sieben führenden Industriestaaten und Russland teilnehmen. Der Gipfel soll bald nach der US-Präsidentenwahl am 4. November stattfinden, voraussichtlich in New York. Die EU will erreichen, dass weltweite Regeln für die Finanzmärkte eingeführt werden, um künftigen Krisen vorzubeugen.

Für Banken und Finanzmärkte sollten Prinzipien festgelegt werden. Alle Finanzmarktteilnehmer müssten einer Aufsicht unterliegen - auch die bisher unregulierten Hedgefonds. Sarkozy will über eine europäische Ratingagentur in Konkurrenz zu den amerikanischen Marktführern bei dem Gipfel ebenso sprechen wie über das System der vollkommen flexiblen Wechselkurse und die finanzielle Abhängigkeit der USA vom Rest der Welt.

Einzelheiten sollen auf einem zusätzlichen Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs vorbereitet werden. "Wir müssen verhindern, dass so etwas noch einmal geschieht", sagte Sarkozy mit Blick auf die schlimmste Finanzkrise seit bald 80 Jahren.

© sueddeutsche.de/Reuters/hgn/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: