ETF-Markt:Mit 19 auf Rekordniveau

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Die Branche sieht in Europa und insbesondere in Deutschland noch großes Wachstumspotenzial für börsengehandelte Fonds. Bisher sind die Produkte vor allem bei institutionellen Investoren beliebt. Privatanleger könnten noch für Dynamik sorgen.

Von Norbert Hofmann

Am 11. April vor 19 Jahren wurde der erste börsengehandelte Fonds (ETF) in Europa gelistet. Prompt konnte die Branche nahezu pünktlich zum Jubiläum ein Rekordvolumen vermelden. Dem Londoner Analysehaus ETFGI zufolge hatte das in Europa verwaltete ETF-Vermögen Ende März einen Wert von 816 Milliarden Dollar erreicht. Zu diesem Marktvolumen trugen auch die guten Bewertungen der ETF an den Kapitalmärkten bei. Das Interesse der Anleger spiegelt sich noch besser in den Mittelzuflüssen wider. Mit einem Saldo aus Zu- und Abflüssen von rund 30 Milliarden Dollar lag das netto neu investierte Geld in den ersten drei Monaten dieses Jahres über dem Vorjahreszeitraum. "Im Vergleich zur Fondsbranche insgesamt weisen ETF in Europa im ersten Quartal überdurchschnittliche Wachstumsraten auf", sagt Detlef Glow, Leiter der Fondsanalyse für Europa, den Nahen Osten und Afrika beim Analysehaus Lipper.

Für das Interesse gibt es gute Gründe. Mit den ETF können Anleger ihr Geld selbst bei kleineren Beträgen auf die Vielzahl der in einem Index enthaltenen Wertpapiere streuen. Einzelne Länder stehen ebenso zur Auswahl wie Regionen oder die ganze Welt und auch unterschiedliche Anlageklassen wie Aktien, Anleihen und Rohstoffe. Hinzu kommt der Kostenvorteil: Weil Indizes ein Marktbarometer einfach nachbilden, sind diese passiven Fonds für geringere Gebühren zu haben als aktiv gemanagte Investmentfonds.

Berater weisen noch immer selten auf die Produkte hin, da die Provisionen gering sind

Während sich die weltweiten Wachstumsraten für das Anlageinstrument insbesondere im angelsächsischen Raum abschwächen, winkt in Europa noch relativ viel Potenzial. Vor allem die großen Anbieter profitieren hier von dem wachsenden Interesse. Der Branchenprimus iShares von Blackrock, auf den laut Lipper Ende März fast die Hälfte des von der europäischen ETF-Branche verwalteten Vermögens entfiel, stand in den ersten drei Monaten dieses Jahres zusammen mit anderen großen Anbietern wie SPDR (State Street), UBS, Amundi, Xtrackers (DWS) und Invesco auch an der Spitze derer, die sich über besonders große Zuflüsse freuen konnten. Sorgen bislang vor allem große institutionelle Investoren für Volumen, sind ETF bei Privatanlegern noch nicht in der vollen Breite angekommen. "Deutschland als der zweitgrößte ETF-Markt in Europa dürfte wegen des noch längst nicht ausgeschöpften Potenzials bei Privatanlegern ein im internationalen Vergleich stärkeres Wachstum vor sich haben", sagt Glow. Aktuelle Daten des Anlegerportals extraETF.com, das regelmäßig Statistiken zum ETF-Nutzungsverhalten privater Anleger in Deutschland veröffentlicht, bestätigen Glows Einschätzung. Demnach ist das in ETF investierte Volumen im ersten Quartal 2019 um gut 18 Prozent auf 22,3 Milliarden Euro gestiegen.

Das Handelsvolumen allerdings war insbesondere in den ersten beiden Monaten des Jahres rückläufig. "Das ist ein außergewöhnliches Phänomen, da sich üblicherweise viele Anleger gerade zu Jahresbeginn positionieren", sagt Peter Smolny, Leiter des ETF-Handels der Börse Stuttgart. Gründe für die Zurückhaltung könnten die wirtschaftlichen und politischen Unsicherheiten gewesen sein. An der Börse Stuttgart werden überwiegend ETF auf den Dax sowie relativ viele auf den globalen Index MSCI World, der rund 1600 Aktien aus 23 Industrieländern enthält, gehandelt. "Die Anleger kaufen mit dem Dax gerne die Region, die sie kennen, und suchen darüber hinaus gerade in Zeiten unsicherer Märkte die breite internationale Streuung", sagt Smolny.

Gefragt seien darüber hinaus US-Indizes wie der S&P 500 für den breiten Markt und das Marktbarometer der Technologiebörse Nasdaq. Das Interesse am Eurostoxx dagegen ist gering und deutlich rückläufig. Vergleichsweise gut hält sich dagegen der Handel auf Indizes für die Schwellenländer. Insbesondere China liegt bei ETF-Anlegern nach wie vor im Fokus. Auch auf bestimmte Themen ausgerichtete Fonds, wie etwa Robotik, Künstliche Intelligenz oder Wasser verzeichnen mehr Nachfrage. Fondsgesellschaften bieten zudem immer mehr Möglichkeiten an, nach den ESG-Kriterien (environmental, social, governance) zu investieren, also nach ökologischen, sozialen Aspekten sowie der Art der Unternehmensführung. "Die Produktoffensive der ETF-Anbieter im ESG-Segment setzt sich weiter fort", sagt Lipper-Analyst Glow, wobei der Bereich nach wie vor für einen eher kleinen Teil des Gesamtvolumens steht. "Einem größeren Durchbruch sind Grenzen gesetzt, weil die Berater in den Banken noch immer zu wenig auf diese Produkte aufmerksam machen", sagt Glow.

Das gilt auch für börsengehandelte Fonds insgesamt, da sie den Geldhäusern im Vergleich zu aktiv gemanagten Investmentfonds eben relativ geringe Provisionen versprechen. Und das, obwohl ETF aus Anlegersicht durchaus attraktiv sind. Sie eignen sich als ideale Vehikel, um -auch über Sparpläne - mit kleinen Beiträgen langfristig Vermögen aufzubauen. Nicht wenige Anleger nutzen sie jedoch, um kurzfristig Marktchancen zu nutzen. Diese Trader haben dabei auch die Möglichkeit, mit sogenannten Short-ETF auf fallende Märkte zu setzen. "Wir beobachten regelmäßig, dass - nicht selten unter Einbeziehung von Short-Indizes, die immer wieder einmal unter den Top Ten der wöchentlich meistgehandelten Produkte auftauchen - auch kurzfristig bis hin zum Intraday-Trading agiert wird", sagt Smolny. Für zeitliche Flexibilität bei der Aufgabe von Orders ist ebenfalls gesorgt. An der Börse Stuttgart etwa können Anleger mit ETF von acht bis 22 Uhr handeln.

Dabei sollen günstige Angebote zusätzliches Interesse am Handel wecken. Die Börse Stuttgart etwa bietet derzeit ETF ohne Spread auf 40 marktbreite Indizes an. Das heißt, dass An- und Verkaufspreis identisch sind, für den Ankauf und Verkauf eines ETF die gleichen Kurse gelten. Oft gibt es zwischen diesen beiden Werten im Börsenhandel eine Differenz, eben den Spread. Taucht er nicht auf, kann das Anlegern einen durchaus spürbaren Mehrwert bieten. Liegt der Spread etwa bei zwei Prozent, so sparen sie pro Order für einen ETF im Wert von 1000 Euro schon mal 20 Euro. Das ist auch für Investoren und Sparer, die nicht die ganz großen Summen bewegen, attraktiv. "Für uns ist besonders wichtig, dass wir Privatanleger ansprechen", sagt Smolny.

© SZ vom 27.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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