Esser, Middelhoff & Co.:Neue Heimat für große Fische

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Warum internationale Finanzinvestoren sich so gerne die Dienste ehemaliger deutscher Spitzenmanager und Politiker sichern.

Martin Hesse

Mit Konglomeraten kennt Georg Kulenkampff sich aus. Zwei Jahrzehnte lang saß er in den Konzernvorständen von Thyssen, Veba und Metro. "Was die Konglomerate in den 80er Jahren waren, sind heute die Beteiligungsgesellschaften", sagt Kulenkampff. Der 54-jährige Manager ist mit der Zeit gegangen: Seit 2002 ist er Partner bei der Beteiligungsgesellschaft Terra Firma. Für die Briten fädelte er die Übernahme der Raststättenkette Tank & Rast ein, beim Kauf der Immobiliengesellschaft Viterra half ihm seine Veba-Vergangenheit. Kulenkampff war einer der ersten deutschen Manager, die in die Beteiligungsbranche wechselten - aber er ist längst nicht mehr der einzige.

Klaus Esser (Foto: Foto: AP)

Immer häufiger tauchen die Namen prominenter Manager auf den Gehalts- und Beraterlisten von Finanzinvestoren auf. Kinder der Deutschland AG wie Kulenkampff arbeiten für jene Firmenkäufer, die so intensiv daran mitwirken, die alten Strukturen aufzubrechen. Sie übernehmen Konzernsparten, bieten für privatisierte Staatsunternehmen oder kaufen Familienunternehmen auf. So lässt sich der schwedische Finanzinvestor EQT von den früheren Daimler-Managern Eckhard Cordes und Rolf Eckrodt beraten. Sie sollen wesentlich dazu beigetragen haben, dass EQT voraussichtlich als Sieger aus dem Bieterstreit um die DaimlerChrysler-Tochter MTU Friedrichshafen hervorgeht.

Nach der Jahrtausendwende wechselten gefallene Stars der New Economy reihenweise in die Private-Equity-Branche. Der frühere Mannesmann-Lenker Klaus Esser wurde Deutschlandchef der amerikanischen General Atlantic, Thomas Middelhoff ging von Bertelsmann als Partner zu Investcorp, ehe er bei Karstadt-Quelle den Chefposten übernahm. Der frühere Infineon-Chef Ulrich Schumacher ist jetzt Partner bei Francisco Partners, eines auf den Kauf von Technologiefirmen spezialisierten Unternehmens. Ron Sommer beriet nach seinem Abschied von der Deutschen Telekom Blackstone, eine der größten US-Beteiligungsfirmen. Jürgen Schrempp, der scheidende DaimlerChrysler-Chef, soll mit einer Beratertätigkeit bei Dubai Capital International liebäugeln.

Türöffner für Deutschland

Für die Private-Equity-Gesellschaften sind deutsche Manager die Eintrittskarte in den hiesigen Markt. Die Branche wird dominiert von angelsächsischen Investoren wie Blackstone, KKR, CVC oder Carlyle. Viele dieser Risikokapitalfirmen tummeln sich erst seit wenigen Jahren auf dem deutschen Markt. Um ihn zu knacken, suchen sie Türöffner - große Namen aus der Industrie oder gut vernetzte Politiker. "Für angelsächsische Investoren, die mit der deutschen Politik und Besonderheiten wie der betrieblichen Mitbestimmung nicht vertraut sind, ist es außerordentlich schwierig, sich hier zurechtzufinden", sagt Kulenkampff. Es empfehle sich daher, entweder in Deutschland ein Büro einzurichten oder sich für einzelne Transaktionen deutsche Berater zu holen.

Als die auf Immobilienbeteiligungen spezialisierte US-Firma Fortress 2004 um die Berliner Wohnungsgesellschaft Gagfah buhlte, heuerte sie Florian Gerster an. Der frühere Chef der Bundesanstalt für Arbeit und Sozialminister von Rheinland-Pfalz ging für die Amerikaner auf Werbetour. "Er war das Zünglein an der Waage für Fortress", sagt der Sprecher einer Beteiligungsfirma. Wenn der Preis nicht stimmt, kann auch der beste Berater einen Deal nicht retten. Doch Gagfah war heiß umkämpft, die von Fortress und Terra Firma gebotenen Preise lagen nah beieinander. In einer solchen Situation kann eine gute Lobby den Ausschlag geben, vor allem wenn es um eine politisch sensible Branche wie den Wohnungsmarkt geht.

Das ist auch der Grund, weshalb wohl kein anderer Finanzinvestor die Vernetzung mit der Politik so konsequent betreibt wie Carlyle: Die amerikanische Beteiligungsgesellschaft investiert häufig in Rüstungsfirmen. George Bush senior, der frühere britische Premier John Major, der ehemalige philippinische Präsident Fidel Ramos und andere prominente Politiker arbeiteten oder arbeiten noch immer für Carlyle.

Doch nicht alle Private-Equity-Firmen setzen auf die bekannten Namen aus Wirtschaft und Politik. "Ich halte nicht viel davon", sagt ein europäischer Beteiligungsmanager. Man müsse sich fragen, ob es sich lohne, in die Beratung durch große Fische zu investieren. Seine Gesellschaft hole sich lieber echte Experten, die das operative Geschäft einer Branche beherrschen, um eine bestimmte Übernahme zu gestalten. Diese Leute arbeiteten fest im Team für die betreffende Firma und verschwänden dann wieder. Viele Finanzinvestoren pflegen dagegen ständig ein breites Netz aktiver oder ehemaliger Manager. Bei EQT beispielsweise gehören dem Beirat mehr als 60 Manager an, unter anderem der ehemalige Bertelsmann-Chef Mark Wössner.

"Keine Lust mehr, so viel zu arbeiten"

Während für die Beratung bei einzelnen Übernahmen hohe Erfolgsprämien gezahlt werden, sind die Tagessätze für Beiräte niedriger, variieren aber stark. Wer sich wie Schumacher und Kulenkampff fest an eine Beteiligungsgesellschaft bindet, arbeitet zu den gleichen Konditionen wie die übrigen Partner. Sie verdienen vor allem über ihre Beteiligung am Kapital des Fonds und damit erfolgsabhängig.

Zwar kann man in der Private-Equity-Branche eine Menge verdienen, doch es ist nicht das Geld allein, das Manager wie Schumacher und Esser in die Beteiligungsbranche treibt. "Manche suchen einfach eine neue Heimat, wenn sie feststellen, dass sie ohne ihren Vorstandsjob nicht mehr so gefragt sind", sagt der Partner einer europäischen Beteiligungsgesellschaft. Leute wie Kulenkampff schätzen zudem die im Vergleich zum Konzern kurzen Entscheidungswege und flachen Strukturen. Ein Full-Time-Job bei einem Finanzinvestor ist allerdings nicht jedermanns Sache. "Viele haben einfach keine Lust mehr, so viel zu arbeiten", sagt Kulenkampff. Das sei auch eine Frage des Alters. "Die Zahl der Wochenarbeitsstunden ist nach oben offen." Während Konzernvorstände einen großen Stab von Mitarbeitern um sich haben, kümmern sich Beteiligungsmanager um viele Dinge selbst.

Kulturschock

Nicht alle Industriemanager kommen damit zurecht. "Sie treffen dort auf eine völlig andere Unternehmenskultur", sagt der Partner eines Private-Equity-Fonds. Auch Stefan Jugel, Gesellschafter des Wiesbadener Private Equity Instituts, ist skeptisch: "Ehemalige Industriemanager mögen zwar gute Verbindungen und Branchen-Know-how haben, doch nicht unbedingt die spezifischen Kenntnisse und Fähigkeiten, die man in der Private-Equity-Branche braucht." Ob Schumacher, Esser und andere als Finanzinvestoren erfolgreich sind, werde sich erst in einigen Jahren zeigen.

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