Ernährungsbranche paradox:Die Milchkrisenkönigin

Lesezeit: 2 min

Kontrastprogramm: In Coburg feiert sich die Milchwirtschaft durch die Wahl ihrer Milchkönigin. Anders sieht es für einige Kolleginnen in Berlin aus: Die traten wegen der niedrigen Milchpreise sogar in Hungerstreik.

C. Sebald

Man könnte meinen, man sei in einem absurden Theaterstück. Doch es ist Wirklichkeit. Vor dem Bundeskanzleramt in Berlin treten aus Protest gegen den freien Fall der Milchpreise die ersten Bauersfrauen in Hungerstreik. Und in Coburg diktiert die frisch gekürte bayerische Milchkönigin Beate Deisenhofer (Foto oben, rechts) den Journalisten in die Blöcke: "Ich freue mich riesig und bin sehr stolz, in den kommenden zwei Jahren die Milchwirtschaft in Bayern repräsentieren zu dürfen." Die neue Milchprinzessin Heike Röthenbacher (links) strahlt derweil in die Kameras.

Die Milchköniginnen Beate Deisenhofer (oben, rechts) und Heike Röthenbacher in Coburg sowie streikende Kolleginnen in Berlin (unten). (Foto: Fotos: Landesvereinigung der Bayerischen Milchwirtschaft (LVBM), dpa)

Interessant daran: Die Milchkönigin ist ein Werbegag der Landesvereinigung der bayerischen Milchwirtschaft, der unter anderem der Bayerische Bauernverband, verschiedene Molkereiverbände und der Einzelhandelsverband angehören. Und die sind - so sagen es jedenfalls viele Landwirte - "bisher nicht dadurch aufgefallen, dass sie allzu großes Augenmerk auf unsere Existenznöte richtet".

Desaster auf dem Milchmarkt

Im Gegenteil: Romuald Schaber, der Vorsitzende des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter, und viele andere machen sie sogar direkt verantwortlich für das Desaster auf dem Milchmarkt.

Die Milchkönigin ficht das nicht an. "Ich esse für mein Leben gerne Milchprodukte", sagt die 23-jährige gelernte Landwirtin aus dem Donauries, die an der landwirtschaftlichen Fachhochschule in Triesdorf studiert.

Vor dem Kanzleramt in Berlin (Foto unten) spitzte sich indes die Situation weiter zu. Um ihre Forderung nach einem Milchkrisengipfel unter Leitung von Kanzlerin Angela Merkel zu untermauern, traten bereits am Mittwoch sechs Bäuerinnen in Hungerstreik. Steffi Butscher, eine der Hungerstreikenden, gab sich im Fernsehen zuversichtlich, die Aktion noch einige Zeit durchhalten zu können.

"Am ersten Tag krepiert man nicht gleich. Das wird über mehrere Tage gehen. Das Rote Kreuz überwacht uns etwas.", sagte sie dem Nachrichtenfernsehsender N24.

Der Zuspruch aus der Bevölkerung hilft der Bäuerin jedoch: "Die stehen so hinter uns. Das ist ein Wahnsinn."

Eine andere Protestlerin ist hingegen enttäuscht über Regierungschefin Merkel. "Die Kanzlerin darf uns nicht ignorieren", sagt Sabine Holzmann. Seit Montag demonstriert die Landshuterin mit 150 Bauersfrauen vor dem Kanzleramt.

Merkel wendet sich ab

Holzmann war dabei, als sich die Bäuerinnen am Dienstagabend bei Merkel Gehör verschaffen wollten. "Die Kanzlerin hatte einen Termin in der Konrad-Adenauer-Stiftung", sagt Holzmann. "Wir sind dorthin und wollten kurz mit ihr reden, als sie das Haus betrat."

Doch beim Aussteigen aus dem Auto habe sich Merkel abgewendet. Später habe sie das Haus über eine Hintertür verlassen. So enttäuscht die Bäuerinnen sind, so entschlossen sind sie. "Wir machen weiter", sagt Holzmann. "Bei Milchpreisen von 20 bis 25 Cent je Liter haben wir nichts zu verlieren."

© SZ vom 14.05.2009/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: