Erinnerung an Ludwig Erhard:Eine neue Version für eine bewährte Idee

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Die soziale Marktwirtschaft muss mit der Zeit gehen - nur wie?

Von Jan Willmroth, Berlin

Der Vater des Wirtschaftswunders mag schon lange tot sein, das Vermächtnis aber lebt verlässlich fort. In politischen Reden wird er bemüht, in Debatten taucht er auf, und nicht zuletzt in der Neuerfindung der CDU als Volkspartei spielt der Name Ludwig Erhards eine wichtige Rolle, immer dann, wenn es um Ideen für eine Wirtschaftspolitik des 21. Jahrhunderts geht. Wenn es darum geht, den deutschen Sozialstaat und seine Pendants in Europa zukunftsfähig zu machen, während die Wirtschaftssysteme vor den größten Umbrüchen seit der Ära der Industrialisierung stehen.

Also: Welche Antworten kann die ordnungspolitische Tradition Ludwig Erhards heute noch bieten? Provokanter gefragt: Kann die soziale Marktwirtschaft - sozialer Fortschritt durch freien Wettbewerb - im digitalen Zeitalter noch funktionieren?

Achim Wambach, 50, Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim, glaubt nach wie vor an die normative Kraft Erhardscher Ideen. Zugleich betont er aber, dass sich in den volkswirtschaftlichen Daten noch kein radikaler Umbruch zeigt, mit dem sich Konzepte wie das bedingungslose Grundeinkommen oder Arbeitszeitverkürzungen rechtfertigen ließen, wie sie die Linken-Vorsitzende Katja Kipping befürwortet. "Digitaler Wohlstand für alle", lautet der Titel von Wambachs neuem Buch, das er mit Co-Autor Hans-Christian Müller verfasst hat. Die beiden erörtern, wie der Machtkonzentration weniger US-Internetkonzerne mit monopolistischen Zügen ordnungspolitisch zu begegnen ist. Sie beschreiben, wie der Wettbewerb als marktwirtschaftliches Grundprinzip im digitalen Zeitalter an Bedeutung zu verlieren droht. Wambach, der auch der Monopolkommission vorsitzt, betont: Auch im digitalen Zeitalter bleibe der Wettbewerb die entscheidende Kraft, durch die Innovationen entstehen, Leistung belohnt wird und Chancengleichheit gewahrt bleibt. Ihn gelte es daher zu schützen. "Wir müssen Wege finden, um das Instrument der Missbrauchskontrolle zu schärfen", sagt Wambach. Die Strafen der EU-Kommission gegen Google stehen beispielhaft für ein neues Paradigma der Wettbewerbskontrolle.

Diese aber versage, befürchtet Foodwatch-Gründer Thilo Bode. "Ich glaube, dass die Wettbewerbspolitik nicht mehr greift", sagt er. Sie vernachlässige, dass sich wirtschaftliche Macht immer mehr zur politischen Macht entwickelt habe. "Demokratien sterben langsam, und nicht mit einem großen Big Bang. Das erleben wir zurzeit", sagt Bode.

Darin stimmt Kipping ihm zu, sieht die Gefahren für die Demokratie aber mehr als Summe struktureller Probleme. Wo also bleibt das Soziale, wenn die Digitalisierung auch mit gesellschaftlicher Spaltung einhergeht? Wenn gerade eine Generation hofft, dass es ihren Kindern nicht schlechter geht als ihnen? Gepaart mit der Machtkonzentration bei Konzernen, die à la Facebook auch noch zur Fragmentierung der Gesellschaft beitragen, sieht es dieser Analyse zufolge schlecht aus für die sozialstaatlich verfasste Demokratie. Es wird noch viel nach Erhardschen Zukunftsideen zu suchen sein.

© SZ vom 13.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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