Erbschaftssteuer:Vertagt

Die Koalition verschiebt die Entscheidung, wie viel Steuern Erben künftig zahlen müssen. Experten fürchten, dass das Thema wieder vor Gericht landet.

Von Guido Bohsem

Der SPD-Chef hatte es nicht eilig. Nach dem kleinen Steuergipfel zur Erbschaftsteuer hatte Sigmar Gabriel noch Zeit für ein längeres Schwätzchen mit einer Besuchergruppe. Die wollte zwar eigentlich Wolfgang Schäubles Finanzministerium besichtigen, doch über das Treffen mit dem Vize-Kanzler war man dann sichtlich erfreut.

In den eineinhalb Stunden zuvor hatte Gabriel zusammen mit Schäuble und CSU-Chef Horst Seehofer eine Art ein weiteres Gespräch in der Dreiecks-Beziehung große Koalition geführt, eben zur Erbschaftsteuer. Im Kern geht es bei dem Streit darum, dass die CSU einen bereits in der Koalition vereinbarten Kompromiss in acht Punkten zugunsten der Wirtschaft nachbessern will. Unter den Steuerexperten der SPD und der CDU befürchtet man jedoch, damit wieder vor dem Verfassungsgericht zu landen.

Die Richter hatten vor etwa eineinhalb Jahren die Erbschaftsteuer als verfassungswidrig eingestuft, weil die Erben von Unternehmen dabei zu günstig wegkommen. Zwar sei es erlaubt, mit Rücksicht auf die Arbeitsplätze in kleinen und mittleren Betrieben Nachlässe einzuräumen. Doch müssten derzeit 90 Prozent der Unternehmenserben keine Erbschaftsteuer zahlen, was zu viele seien.

Man sei sich näher gekommen, hieß es nach der Unterredung der Koalitionäre. In der kommenden Woche träfen sich die drei Politiker, um einen weiteren Anlauf zu nehmen. Offenkundig glaubt man, noch Zeit zu haben - und das obwohl es die Koalition jetzt nicht mehr schaffen wird, die vom Verfassungsgericht gesetzte Frist einzuhalten.

© SZ vom 04.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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