Energieversorgung:Kleine Stadtwerke stehen vor dem Aus

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Regionale Stromversorger geraten durch den verschärften Wettbewerb zunehmend unter Druck und könnten vom Markt verschwinden.

Hans-Willy Bein und Wieland Kramer

Das Sterbeglöckchen wurde schon häufig geläutet für die mehr als 800 deutschen Stadtwerke. Allen Prognosen zum Trotz konnten sich die regionalen Strom- und Gasversorger bisher aber gegenüber den mächtigen Energiekonzernen oder den Platzhirschen im eigenen Lager behaupten.

Jetzt allerdings kommen sie stark unter Druck. Der durch Billiganbieter verschärfte Wettbewerb um die Kunden auf der einen Seite und sinkende Einnahmen aus dem Betrieb der Strom- und Gasnetze zehrt an den Bilanzen. Viele Städte haben die Lage erkannt und buhlen um finanzkräftige Partner.

Andere Unternehmen suchen durch Fusion oder Kooperationen die eigene Haut zu retten. 60 Prozent aller regionalen Versorger sind nach einer Übersicht des Verbandes Kommunaler Unternehmen (VKU) bereits solche Kooperationen eingegangen. Allenfalls 150 größere Stadtwerke haben nennenswerte eigene Stromerzeugungskapazitäten.

Kunden melden Protest an

Die übrigen sind auf Lieferungen der vier großen Konzerne Eon, RWE, EnBW und Vattenfall angewiesen. Auch beim Gas bleibt den Versorgern nur die Rolle des Handelsunternehmens mit stark abnehmenden Margen. Die Gaslieferanten beharren auf automatischen Preisanpassungsklauseln, die Kunden melden dagegen immer stärkeren Protest an oder kürzen gar ihre Rechnungen.

Etwa 60 Prozent des Wertes eines Stadtwerks stecken im Boden, nämlich in den Strom- und Gasnetzen. Unter der Regie der Regulierungsbehörden schmilzt dieser Bodenschatz. Um niedrige Netzentgelte durchzusetzen, senken die Regulierer die zulässige Kapitalverzinsung und verweigern langjährige Steuervergünstigungen für die Versorger. Damit beginnt ein Teufelskreis: Die Gewinne für die Kommunen sinken, und die Nervosität von Geschäftsführern und Aufsichtsräten steigt.

"In der Energiebranche geht der Wettbewerb jetzt erst richtig los, weil erst jetzt die Marktzugangsbarrieren durch die Netzregulierung beseitigt werden", sagte Rudolf Schulten, der Chef des einzigen börsennotierten Stadtwerks MVV Energie in Mannheim.

Stadtwerken, die sich dieser Herausforderung nicht stellten, werde es gehen wie den berühmten Tante-Emma-Läden: Sie werden vom Markt verschwinden. Besonders groß sei der Kostendruck für die kleineren und mittelgroßen Unternehmen. MVV wolle die Chancen nutzen, und sein Stadtwerke-Netz ausbauen.

Ausländische Konzerne fassen Fuß

MVV hat sich bereits vor Jahren an einer Reihe von Stadtwerken beteiligt, musste aber zuletzt beim gewünschten Einstieg in Leipzig dem französischen Konzern Gaz de France den Vortritt lassen. Ebenso wie Finanzinvestoren warten auch ausländische Energiekonzerne auf Gelegenheiten, in Deutschland stärker Fuß zu fassen. GdF will sich den Einstieg in Leipzig stolze 520 Millionen Euro für einen 49,9-prozentigen Anteil kosten lassen.

MVV bildet einen neuen Typus unter Deutschlands Energieversorgern und steht damit dem Großaktionär nicht nach, der Kölner Rheinenergie. Im Kern und Geiste noch stark kommunal, haben sie ein regionales oder bundesweites Beteiligungsgeflecht aufgebaut. Die Vorteile sind unbestreitbar: Energieeinkauf und Netzbetrieb können zusammengelegt und damit billiger werden. Verwaltungen werden besser ausgelastet und das Selbstbewusstsein gegenüber den großen Energiekonzernen wächst.

Rheinenergie, seit dem Spätsommer mit gut 16 Prozent an MVV beteiligt, hat sich bereits auf einen Radius von mehr als 50 Kilometern rund um die Domstadt hinaus ausgedehnt. Aus dem Energie- und Wassergeschäft mit etwa 1,7 Millionen Kunden erlösen die Kölner jährlich mehr als 2,5 Milliarden Euro. Die Partner in Mannheim sind nur unwesentlich kleiner.

Erfolglose Expansionen

Der Energieversorger der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt Düsseldorf steht für ein anderes Unternehmensmodell. Die Stadtwerke Düsseldorf AG sind längst zu gut 55 Prozent im Besitz von EnBW in Karlsruhe. Der Preis von etwa 800 Millionen Euro markiert bis heute die Obergrenze der kommunalen Verkaufsralley. Von EnBW gnadenlos auf maximalen Ertrag getrimmt, agieren die Düsseldorfer Stadtwerke bereits unter dem zweiten Vorstand eher glücklos bei der Expansion.

Ein zweites, verbessertes Angebot an die Nachbarstadt Neuss blieb ebenso erfolglos wie eine Offerte nach Krefeld. Vorstandschef Markus F. Schmidt setzt jetzt alles auf eine Karte. Er will bei den Stadtwerken Wuppertal einsteigen. Nach einem Streit über den Unternehmenskurs hatten RWE und der Luxemburger Versorger Cegedel ein Paket von 25,1 Prozent der Anteile für 145 Millionen Euro zurückgegeben.

Da Wuppertal als finanziell angeschlagen gilt und nur über einen Interims-Vorstand verfügt, hoffen viele auf ein Schnäppchen. Die Liste der interessierten Rivalen ist lang und reicht von MVV und Rheinenergie über Bieter aus Frankreich, Belgien und Dänemark bis zum westfälischen Entsorger Remondis.

Nicht weit von Düsseldorf und Wuppertal schmieden auch die Stadtwerke Bochum und Dortmund mit dem von ihnen kontrollierten Gas- und Wasserversorger Gelsenwasser an einer starken Energie-Allianz. Der neue Verbund, der gemessen an den drei Gesellschaften auf einen Umsatz von 1,7 Milliarden Euro käme, würde mitten im Stammland des RWE-Konzerns auf Kundenfang gehen.

© SZ vom 16.01.2008/sho - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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