Energiekonzern:"Ihre Zeit ist abgelaufen"

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Eine Umweltschützerin sucht auf der Veranstaltung Aufmerksamkeit. (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

RWE-Chef Terium hat für Umweltschützer nur Spott übrig.

Von Varinia Bernau, Essen

Konzernchef Peter Terium hatte gerade erst begonnen, die Lage von RWE zu beschreiben. Er rechnete vor, dass der Aktienkurs im vergangenen Jahr um etwa 50 Prozent gesunken sei; er betonte, dass sich das Geschäft verschlechtert habe und schwierig bleibe. "Das ist alles andere als zufriedenstellend." Da kamen die ersten Rufe: "Eure Zeit ist abgelaufen." Umweltschützer entrollten von den seitlichen Rängen der Halle ein Laken mit ihrer Forderung: "Hambacher Forst erhalten."

In dem Waldgebiet südlich von Köln leben einige vom Aussterben bedrohte Arten wie Fledermäuse, dort liegt aber auch wertvolle Braunkohle. Umweltschützer haben den Forst immer wieder besetzt, um ihn vor den Baggern zu verteidigen. Die Mitarbeiter von RWE haben über Angriffe mit Messern, Pfefferspray und Feuerwerkskörpern geklagt. Mehr als 50 Mal musste die Polizei allein im vergangenen halben Jahr einschreiten. Die Fronten im Hambacher Forst sind verhärtet.

Das zeigt sich nun auch bei der Hauptversammlung von Deutschlands zweitgrößtem Energiekonzern: Die Umweltaktivisten stürmen die Bühne. Sie krallen sich am Geländer fest, als Sicherheitskräfte sie aus der Halle bringen wollen. Immer wieder dringen die Rufe durch die Messehalle: "Eure Zeit ist abgelaufen." Terium entgegnet: "Ich denke, Ihre Zeit ist bald abgelaufen." Der Scherz misslingt. Stattdessen zeigt er, wie dünnhäutig auch der Manager in den vergangenen Monaten geworden ist. Später, als er noch einmal von Rufen unterbrochen wird, belehrt er die Umweltschützer: "Ich habe auch Kinder im protestfähigen Alter, aber die sind in der Schule oder bei der Arbeit." Kein Wort des Verständnis, keine Geste des Entgegenkommens. Dabei ist auch Terium längst nicht mehr der Mann der schmutzigen Energiewelt, den die Umweltschützer in ihm sehen. Er kann es gar nicht mehr sein. Denn es sind die konventionellen Kraftwerke, die dem Konzern die hohen Verluste einbringen.

Die Mitarbeiter, die Kunden, die Zukunft der Kommunen. Terium appelliert ans Gefühl

So hoch, dass der Konzern zum ersten Mal seit gut 50 Jahren seinen Aktionären die Dividende verweigert. Immer mehr Ökostrom drängt an die Strombörse, der Großhandelspreis ist deshalb dramatisch gesunken und hat den Konzern, der gerade erst fünf Prozent seines Stroms aus erneuerbaren Energien erzeugt, in eine gefährliche Lage gebracht. "Wir haben nicht viel Zeit, unsere finanzielle Situation ist angespannt", sagt Terium. Weitere massive Verluste könne sich der Konzern nicht leisten. Deshalb will Terium das Geschäft mit dem grünen Strom abspalten und an die Börse bringen. Das soll den Fokus auf das zukunftsträchtige Geschäft schärfen und den Zugang zu neuem Geld erleichtern.

Deshalb richtet der RWE-Chef am Ende seiner Rede noch einige persönliche Worte an die Aktionäre. Er tritt dazu neben das Pult, schreitet auf der Bühne hin und her, sticht mit dem Zeigefinger immer wieder in die Luft, um seine Worten noch eindringlicher wirken zu lassen. Er erklärt sich den Aktionären, er gibt sich einfühlsam. Er ist auf einmal das Gegenteil von dem arroganten Manager, der wenige Minuten zuvor noch die Aktivisten abkanzelte. "Wir haben uns die Dividendenentscheidung nicht leicht gemacht", sagt Terium. "Vielen Kommunen geht es schlecht. Wie RWE." Er spricht davon, dass er Tage und Nächte damit verbracht habe, durchzuspielen, ob diese Entscheidung nicht doch noch zu verhindern wäre. Aber es gebe keine Alternative. "Deshalb nehmen wir unser Schicksal in die Hand, auch wenn das Verzicht bedeutet." Terium appelliert an den Zusammenhalt. Er erinnert daran, dass es um mehr als die Dividende gehe. Um 60 000 Mitarbeiter, um 23 Millionen Kunden, um die Zukunft des Wirtschaftsstandortes. Terium scheut jetzt keine noch so dramatische Dimension. Für eine Rede, wie sie Konzernchefs vor ihren Aktionären halten, ist diese erstaunlich emotional. Er wolle die Zukunft gestalten, nicht vom Abarbeiten der Altlasten erdrückt werden, sagt Terium. Es ist in diesem Moment sehr still in der Messehalle.

© SZ vom 21.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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