Energiegipfel in Berlin:Das Milliarden-Euro-Ding

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Verbraucher sollen mit staatlicher Hilfe in den Klimaschutz investieren und dabei Geld sparen - die Ergebnisse des Treffens der Versorgungsindustrie mit Kanzlerin Merkel.

Den Teilnehmern des Energiegipfels blieb nur der Seiteneingang. Vor dem Haupttor zum Kanzleramt hatten am Dienstagmorgen etwa 30 Greenpeace-Aktivisten fünf Tonnen Braunkohle ausgekippt und 40 gelbe Atommüllfässer aufgestellt.

Unter dem Banner "Frau Merkel, stoppen Sie die Kohle- und Atomlobby, schützen Sie das Klima!" Sollte die "symbolische Barrikade" darauf hinweisen, wo die Umweltschützer die wahren Blockierer vermuten: bei den großen Energieversorgern, die sich gegen ehrgeizige Klimaschutzziele sträuben.

Kohle, Atom, Gas, Wind, Sonne, Biomasse - woher sollen Strom, Wärme und Kraftstoffe in Deutschland im Jahr 2020 kommen? Wie ist die Klimakatastrophe zu verhindern? Und was darf das alles kosten?

Zum dritten Mal innerhalb von eineinhalb Jahren beriet sich Bundeskanzlerin Angela Merkel darüber mit den Bossen der Stromkonzerne, der Industrie, der erneuerbaren Energien.

Viel schlauer ist man nach dem langwierigen Gipfel-Prozess noch nicht. Ein Regierungsprogramm zur Energieversorgung und zum Klimaschutz soll erst in den nächsten Wochen erarbeitet werden.

Aber in zwei Punkten machte Merkel zumindest eine klare Ansage: Die Entscheidung über längere Atomlaufzeiten liegt auf Eis, bis möglicherweise nach 2009 ein neuer Koalitionspartner zur Hand ist.

Und beim Klimaschutz will die Kanzlerin nicht locker lassen. So bekräftigte Merkel das vor dem Gipfel so umstrittene Ziel, bis 2020 die in Deutschland verwendete Energie doppelt so gut auszunutzen wie 1990.

Daraus ergibt sich die jährliche Steigerung der Energieeffizienz um drei Prozent, die Wirtschaftsvertreter in den vergangenen Tagen für völlig utopisch erklärt hatten. Merkel ließ sich davon nicht beirren.

"Wir haben uns auf den ehrgeizigsten Fall vorbereitet"

Denn das rasante Tempo beim Energiesparen ist Voraussetzung in allen Szenarien der Bundesregierung, wie bis 2020 der Kohlendioxid-Ausstoß um 40 Prozent unter den Wert von 1990 gebracht werden soll.

Und dass diese 40-Prozent-Minderung erreicht werden muss, davon geht die Regierung schon einmal vorsorglich aus, obwohl dies noch international ausgehandelt werden soll.

"Wir haben uns auf den ehrgeizigsten Fall vorbereitet", betonte Merkel. Energie gespart werden soll nun nicht vorrangig in der Industrie, sondern vor allem im Verkehr und in Privathaushalten.

Es gebe "Bereiche, da hat man noch gar nicht so richtig hingeguckt", sagte Merkel. Für den Verkehrssektor und das Heizen gingen insgesamt 70 Prozent der deutschen Energie drauf. Und gerade der Wärmemarkt sei ein "schlafender Riese" für die Energieeffizienz.

Damit ist absehbar, dass Privatleute in den nächsten Jahren Milliardenbeträge in das Energiesparen investieren müssen, ob nun in die bessere Dämmung ihrer Häuser oder den Kauf neuer Kühlschränke und Autos.

Das angekündigte Energie- und Klimaschutzprogramm der Regierung soll sich auch auf Ergebnisse einer Arbeitsgruppe stützen, die den Energiegipfel vorbereitet hat.

Sie machte 67 Einzelvorschläge zur Steigerung der Energieeffizienz, darunter zum Beispiel auch eine erhebliche Verschärfung der Energiestandards in Wohnhäusern, der Ersatz von Nachtspeicheröfen und Glühbirnen und die Einführung der längst angekündigten CO2-Kfz-Steuer.

Klar scheint aber auch, dass der Staat mehr Geld locker machen will, um die Bürger beim Energiesparen zu unterstützen. In dem Papier der Arbeitsgruppe, das AP vorliegt, ist die Rede davon, das CO2-Gebäudesanierungsprogramm von heute 1,4 auf 3,5 Milliarden Euro aufzustocken und weitere 500 Millionen Euro in "Maßnahmenpakete zur effizienten Nutzung von Strom" zu stecken.

Entschieden ist noch nichts, wie Merkel und Umweltminister Sigmar Gabriel betonten. Die Kanzlerin machte aber Andeutungen, dass der Staat mehr Geld in die Hand nehmen wird.

Ob unter dem Strich die Verbraucher drauf zahlen oder Geld sparen, scheint eine Glaubensfrage.

Das Umweltministerium rechnet vor, dass sich zum Beispiel der Umstieg von einem schon halbwegs modernen Kühlschrank auf die modernste und sparsamste Klasse sich innerhalb von fünf bis sechs Jahren rechnet. Ähnlich ist es bei besserer Wärmedämmung und moderneren Heizungen.

"Alle Punkte, die wir heute besprechen, führen dazu, dass man weniger Geld für Energie ausgeben soll", jubelte Umweltminister Gabriel.

Der Chef des Energieversorgers Vattenfall, Klaus Rauscher, sieht die Sache nicht ganz so optimistisch. Die Klimaschutzziele der Regierung würden zu "tendenziell steigenden Preise" führen, und zwar für Stromkunden, Häuslebauer und Autofahrer.

Klimaschutz sei eine gesamtwirtschaftliche Aufgaben, und es werde ihn "nicht zum Nulltarif geben", sagte Rauscher.

© sueddeutsche.de/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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