Energiegipfel im Kanzleramt:"Wirtschaftsstalinisten" vor dem Energiegipfel

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Es ist eine wahrhaft aufgeladene Stimmung vor dem kommenden und letzten Energiegipfel von Bundeskanzlerin Merkel kommende Woche. Bundesumweltminister Gabriel brachte sogar das Wort "Wirtschaftsstalinisten" ins Spiel.

Nina Bovensiepen

Wenige Tage vor dem dritten und letzten Energiegipfel von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich der Ton zwischen Energiekonzernen und Regierung deutlich verschärft.

Von dem ursprünglichen Ziel der Treffen, ein nationales Energieprogramm aufzustellen, sei man "meilenweit entfernt", sagte Eon-Chef Wulf Bernotat am Mittwoch in Berlin. Klaus Rauscher, Vorstandsvorsitzender von Vattenfall, erklärte, der Gipfel drohe "keine oder falsche Ergebnisse zu bringen". Auch in Kreisen der beteiligten Ministerien sind die Erwartungen an das Treffen gering.

Die Gipfelrunde aus Wirtschaft und Politik, Verbraucherverbänden und Wissenschaft sollte ursprünglich bei ihrem letzten Treffen am nächsten Dienstag die Eckpunkte für die Energieversorgung bis zum Jahr 2020 festzurren.

"Wirtschafts-Stalinisten"

Nach Ansicht der Konzerne geht die Regierung aber mit völlig unrealistischen Annahmen in das Gespräch. Dies betrifft insbesondere die Klimaschutz-Ziele. Die Szenarien der Regierung seien "auf Sand gebaut", sagte Rauscher. Bernotat erklärte, der von der Politik neu entdeckte Primat des Klimaschutzes sei "keine Freikarte für Unvernunft".

Die Regierung hat sich ehrgeizige klima- und energiepolitische Ziele gesetzt, weil Merkel die Bundesrepublik hier in einer Vorreiterrolle sehen will. Die Kanzlerin hatte den Klimaschutz auch beim Weltwirtschaftsgipfel in Heiligendamm zum Hauptthema gemacht. Den Plänen der Regierung zufolge soll in Deutschland insbesondere der Kohlendioxid-Ausstoß in den kommenden Jahren deutlich sinken: Bis 2020 soll er gegenüber 1990 um 40 Prozent reduziert werden.

Um das zu erreichen, muss die Energie-Effizienz - also der Wirkungsgrad von Kraftwerken und anderen Energiequellen - erheblich steigen. In den vergangenen Jahren hat sich die Effizienz im Schnitt um 0,9 Prozentpunkte jährlich erhöht. Für die kommenden Jahre strebt die Bundesregierung nun drei Prozentpunkte an.

Diese Vorgabe sei nötig, wenn an dem zwischen SPD und Union umstrittenen Atomausstieg festgehalten werden soll, heißt es dazu. Um die Energie-Effizienz zu steigern, denkt die Regierung laut der Frankfurter Allgemeinen Zeitung auch über ein neues Milliarden-Programm nach. Das Geld könnte in die Sanierung alter Gebäude und die Förderung erneuerbarer Energien fließen.

Die Konzerne halten die Ziele für völlig utopisch. Der Klimaschutz werde allem anderen vorangestellt, kritisieren sie. Wer die Pläne umsetzen wolle, müsse "eine De-Industrialisierung Deutschlands billigend in Kauf nehmen", sagte Rauscher. Diesen Vorwurf hatte in einem Interview mit dem Spiegel auch BASF-Chef Jürgen Hambrecht erhoben.

Druck von allen Seiten

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte daraufhin erklärt, Hambrecht argumentiere wie ein "Wirtschaftsstalinist". Bernotat sagte dazu: "Hier sitzen keine Stalinisten." Der Eon- und der Vattenfall-Chef forderten Merkel auf, Gabriel klarzumachen, "wer die Richtlinien in der Politik bestimmt".

Die Energiekonzerne fühlen sich derzeit von mehreren Seiten unter Druck. Gerichtsprozesse und Verfahren aus Brüssel machen ihnen zu schaffen, von der Regierung fühlen sie sich schon lange nicht mehr gut vertreten.

Mit Gabriel kommen sie nicht klar, die Auflagen zum Emissionshandel passen ihnen nicht und eine Kartellnovelle zum Energierecht des Wirtschaftsministers halten sie für völlig verfehlt. Bernotat zufolge ist es möglich, dass der Energiegipfel "im Dissens" endet.

Wolle die Regierung die Gespräche noch retten, müsse sie die Argumente der Konzerne ernst nehmen. Wenn die Koalition etwa ihr Ziel zur Energie-Effizienz auf zwei Prozentpunkte senke, könne es sein, "dass wir uns einbringen und verpflichten", sagte der Eon-Chef.

In der Regierung sind inzwischen angesichts der massiven Kritik neue Rechnungen erstellt worden. Diese zeigen aber, dass die Bundesrepublik die Kohlendioxid-Emissionen nicht um 40 Prozent senken könnte, wenn die Energie-Effizienz nur um zwei Prozentpunkte pro Jahr erhöht wird. Die Industrievertreter sind ohnehin der Ansicht, dass der CO2-Ausstoß sich "mit Anstrengung" bis 2020 maximal um 25 Prozent senken lasse.

© SZ vom 27.06.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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