Energiebranche:Vernetzte Mülltonnen und andere Notwendigkeiten

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Stromversorger könnten ihre Kunden bald via App über ihren Energieverbrauch informieren. (Foto: Matthias Balk/dpa)

Wie sich die Energiebranche für die digitale Zukunft rüstet und sich auf Kunden einstellt.

Von Varinia Bernau, Essen

Um ein Gespür dafür zu bekommen, was der Kunde von morgen will, muss Michael Heidkamp sich nur in der eigenen Familie umsehen: "Meine Kinder, die wollen alles in einer App sehen", sagt der Manager. Wann liefert die Solarstromanlage genug Energie - und wann muss ein konventionelles Kraftwerk einspringen, weil Wolken am Himmel hängen? Wie viel Strom frisst der Fernsehen? All das dem Kunden in einer App zu zeigen, davon sind Stromversorger wie Ewe, wo Heidkamp im Vorstand für den Vertrieb zuständig ist, noch weit weg. Deshalb drängt er zur Eile - auch auf dem Führungstreffen Energie der Süddeutschen Zeitung, an dem am Montag über eine der drängendsten Fragen in der Branche diskutiert wird: Wie umgehen mit der Digitalisierung? Nichts tun, das ist für Heidkamp keine Option. "Sonst passiert uns das, was einst der Telekom passiert ist."

Was, wenn der Energieversorger bald genauso viel über seine Kunden weiß wie Apple?

Auch bei der Telekom wusste man zunächst nicht, wie die digitale Zukunft aussieht. Heute ist der Konzern so etwas wie der Klempner des Internets. Derjenige, der die Leitung für viel Geld bauen und auf dem neuesten Stand hält. Das große Geld im Netz aber verdienen die Internetkonzerne, die all die spannenden Dienste anbieten: Musik, Plaudertreffs und andere Apps.

Technologiekonzerne wie Apple, Google oder Samsung bringen sich bereits in Stellung, um sich nun auch in der Energieversorgung an diese profitable Stelle zwischen Erzeuger und Kunde zu setzen - ganz so, wie sie es in der Unterhaltungsindustrie bereits geschafft haben. Ob diese neue Welt, in der mit Sensoren ausgestattete Mülltonnen nur noch dann abgeholt werden, wenn sie auch wirklich voll sind, eine bessere Welt wird, da will sich Heidkamp kein Urteil erlauben. Aber: "Das wird kommen, ob wir es wollen oder nicht."

Für Gero Lücking sind das Spielereien, die wichtigen Aufgaben sieht er anderswo: "Hat die Anlage auch das getan, was wir wollen? Wie können wir die schwankenden Kapazitäten vernünftig managen? Das sind die Daten, die wir brauchen, auf Viertelstundenbasis", sagt der Chef des Ökostromanbieters Lichtblick. "Dass dann noch der Kühlschrank eine Nachricht sendet, wenn die Milch leer ist, kann man ja machen. Aber das ist nicht unser Geschäft. Wir wollen die Energiewende hinkriegen."

Damit das eine wie das andere Szenario Wirklichkeit wird, gilt es nun, die technischen Standards zu definieren - also gewissermaßen die Lingua Franca, über die alle Teile in diesem intelligenten Stromnetz miteinander kommunizieren. "Das wird der Markt nicht allein machen", glaubt Rainer Baake. Wie richtig der Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie dabei liegt, zeigt auch ein Blick in die Unterhaltungsbranche: Dort begibt sich der Kunde in dem Moment, in dem er sich für ein iPhone entscheidet, auch in eine gewisse Abhängigkeit vom Hersteller Apple. Er entscheidet, welche Apps es für diese Geräte gibt - und welche nicht. Solch ein Szenario wünscht sich niemand, wenn es um etwas so Grundlegendes wie die Stromversorgung geht. Was, wenn der Energieversorger bald genauso viel über seine Kunden weiß wie Apple? Auch beim Datenschutz wolle man möglichst hohe Standards sichern, sagt Baake - und erhält Unterstützung von Jochen Homann von der Bundesnetzagentur: "Die Daten gehören dem Kunden, der entscheidet darüber, wem er sie gibt."

© SZ vom 16.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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