Energie-Szenario:Verschwendung im Überfluss

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Warum die effizientere Nutzung der Energie der Schlüssel zu einer sicheren Versorgung ist.

Wolfgang Roth

Wenn es ,,nur'' um das zeitweilige Versiegen einer russischen Erdölquelle ginge, wäre ein guter Teil der aktuellen Energiedebatte in Deutschland absurd.

Kein Druck mehr auf der Leitung: Ein Arbeiter der Ölraffinerie in Szazhalombatta, 30 Kilometer südlich der ungarischen Hauptstadt Budapest, prüft einen Manometer an der Pipeline ,,Druschba''. (Foto: Foto: AFP)

Die Forderung nach einer Wiederbelebung der Kernkraft hätte wenig Sinn, weil der Strom aus Atomreaktoren weder Autos antreibt, Hochöfen befeuert, noch den Rohstoff für die Chemieindustrie ersetzen kann. Anders als in Frankreich spielen Elektroheizungen keine entscheidende Rolle mehr.

Die Masse des verarbeiteten Erdöls fließt in den Verkehr, sodass die Mobilität überwiegend von Importen abhängig ist; diese Abhängigkeit lässt sich nach und nach mit Biosprit und Biogas als Treibstoff der Autos mindern, ansonsten nur mit einer Verkehrspolitik, die der Schiene Priorität gibt.

Es geht in der Energieversorgung aber nicht nur um Erdöl, das etwa 40 Prozent des Energiehungers in Deutschland stillt, zur Stromerzeugung jedoch nur marginal beiträgt. Knapp hinter Braun- und Steinkohle rangiert Erdgas als Energiequelle - mit steigender Tendenz, weil es weniger Treibhausgase erzeugt als Kohle und Erdöl. So wurde es in Deutschland eine attraktive Alternative zur Erzeugung von Elektrizität sowie von warmem Wasser für Heizungen und Duschen.

Wichtigster Exporteur von Erdgas aber ist Russland, und dessen Anteil soll weiter steigen. Gleichzeitig verlangen China und Indien nach dieser Energiequelle, eine Konkurrenz, die wegen der begrenzten russischen Förderkapazitäten berechtigte Ängste erzeugt. Und natürlich ließe sich diese fragile Säule der Stromversorgung mit mehr Kernkraft stabilisieren.

Und mit weniger Atomstrom, wie es mit dem ungefähr bis zum Jahr 2020 gestreckten deutschen Atomausstieg derzeit vorgesehen ist? Es wird jedenfalls nicht einfacher, wenn gleichzeitig die Klimaschutzziele so weit erfüllt werden sollen, dass die Erderwärmung auf ein halbwegs bewältigbares Maß begrenzt wird.

Der Naturschutz setzt Grenzen

Auch die große Koalition hält daran fest, dass erneuerbare Energiequellen bis dahin einen Anteil von 20 Prozent erreichen sollen; zur Zeit sind es etwa elf Prozent. Die rot-grüne Vorgängerregierung hatte dabei stark auf die Windkraft gesetzt, die mittlerweile die Wasserkraft in der Stromerzeugung überflügelt hat.

Außer der wachsenden Nutzung von Biomasse als Energiespender haben Windräder noch großes Potential, vor allem weit draußen im Meer, in Nord- und Ostsee. Das ist bautechnisch aufwendig, setzt neue Stromleitungen von Nord nach Süd voraus und ein ausgeklügeltes Lastmanagement. Schließlich laufen Windräder nicht zwangsläufig dann zur Hochform auf, wenn am meisten Strom benötigt wird.

Speichern lässt sich der energetische Ertrag nicht so leicht. Inwieweit Druckluftkammern in Gesteinsformationen hilfreich sind, bedarf noch der Erprobung. In den Bergen stehen Pumpspeicherkraftwerke zur Verfügung, die mit überschüssigem Strom das Wasser nach oben transportieren, um es bei Bedarf wieder talwärts durch die Turbinen zu schicken.

Weitere Anlagen dieser Art stoßen in den Alpen und Mittelgebirgen aber auf Grenzen, die in erster Linie der Naturschutz setzt.

Versorgungssicherheit, Klimaschutz und von Großrisiken freie Stromerzeugung lassen sich wohl - zu vertretbaren Kosten - bis zum Jahr 2020 nur dann realisieren, wenn gleichzeitig der Energiebedarf drastisch gesenkt wird. Die meisten Szenarien zeigen auch, dass die erneuerbaren Energiequellen ihren Anteil sonst nicht so schnell steigern könnten.

Weder Rot-Grün in Deutschland noch die Brüsseler Kommission hat aber nennenswerte Anstöße zur effizienteren Energieausbeute gesetzt. Das betrifft den Stromverbrauch genauso wie den Spritverbrauch der Fahrzeuge; der Flugverkehr hat weiterhin fulminante Zuwachsraten.

Heizung für Luft und Gewässer

Ein Hebel läge in der dezentralen Erzeugung von Strom. Konventionelle Kraftwerke, auch Kernreaktoren, nutzen nur einen geringen Teil der Primärenergie, derzeit etwa 30 bis 40 Prozent.

Der größte Teil geht als Abwärme verloren, er heizt die Luft oder die Gewässer auf. Wird aber außer dem Strom auch die Wärme in Heizungs- und Warmwassersysteme eingespeist, erhöht sich der Nutzungsgrad auf 80 bis 90 Prozent. Das ist nur sinnvoll, wenn die Abnehmer nicht zu weit entfernt sind, um die Temperaturverluste geringzuhalten.

Solche Blockheizkraftwerke können Schwimmbäder, Krankenhäuser oder Neubausiedlungen versorgen, deren Bau liegt aber naturgemäß nicht im Interesse der Strom- und Gaskonzerne. Die haben sich deshalb erfolgreich gegen eine stärkere Förderung dieser Anlagen zur Wehr gesetzt.

Dänemark deckt hingegen auf diese Weise schon seinen Strombedarf zu 50 Prozent, auch Finnland und die Niederlande sind erheblich weiter als Deutschland, wo gerade einmal zehn Prozent erreicht sind.

Wer an der Messlatte scheitert, muss Strafgebühren zahlen

Zu verbindlichen Vorgaben für den Verbrauch von Sprit und Strom hat sich die Europäische Union allerdings bisher nicht durchringen können. Den Mitgliedsstaaten wiederum sind im gemeinsamen Binnenmarkt die Hände gebunden. Japan verfolgt einen solchen Ansatz, er läuft im internationalen Jargon unter der Bezeichnung Top-Runner-Programm.

Fahrzeuge und Geräte aller Art müssen in einem bestimmten Zeitraum den Standard erreichen, den der Produzent mit dem momentan besten Effizienzstandard vorgibt. Wer an dieser Messlatte scheitert, muss mit Strafgebühren rechnen - Importeure nicht ausgenommen. China hat diesen Ansatz für alle im Lande produzierten und die eingeführten Autos übernommen.

Je nach Gewicht müssen sie in den Folgejahren bestimmte Verbrauchsnormen erfüllen, Werte, die auch den deutschen Herstellern Probleme bereiten.

Wie groß das Potential ist, zeigt die Entwicklung moderner Elektromotoren für die Industrie: Verbesserte Antriebe sparen zwei Drittel bis drei Viertel des Stroms ein. Es ist Technik, die schon auf dem Markt ist - die Kernfusion, die Wasserstoffwirtschaft oder das klimafreundliche Kohlekraftwerk sind hingegen eine Verheißung.

© SZ vom 11.1.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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