Energie:Eine Schippe für die Kohle

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Der Chef des des Essener RAG-Konzerns, Werner Müller, fordert die Renaissance der Zechen. Deutsche Kohle soll wettbewerbsfähig zu Koks gedrückt werden.

Von Hans-Willy Bein

Werner Müller gilt als Kommunikationstalent. Als Bundeswirtschaftsminister entwickelte er ein Gespür dafür, das richtige Thema zur richtigen Zeit zu platzieren.

Der Vorstandvorsitzende der Ruhrkohle, Werner Müller, nach einer Grubenfahrt im Bergwerk Prosper-Haniel in Bottrop. (Foto: Foto: dpa)

Jetzt sitzt Müller auf dem Chefsessel des Essener RAG-Konzerns. Und der Energiekonzern mit einem bis dato eher verstaubten Image geht plötzlich in die Offensive und wartet mit politischen Botschaften auf.

Erschließung einer neuen Zeche

"Der Staat bestellt bei der RAG das Produkt nationale Energiesicherheit und bezahlt dafür." So umschrieb Müller das, was gemeinhin als Kohlesubventionen bezeichnet wird. Jetzt legt der Kommunikator noch eine Schippe nach und fordert nach jahrelangem Abwärtstrend der deutschen Kohle die Erschließung einer neuen Zeche.

Tatsache ist, deutsche Kohle kann wegen des schwierigen Abbaus in großen Tiefen mit Importware aus Polen, Südafrika oder Kolumbien nicht mithalten. Auch wenn die Preise steigen, ist deutsche Kohle nicht wettbewerbsfähig und wird es nach menschlichem Ermessen auch nicht mehr werden.

Die deutsche Produktion ist also nur mit hohen Subventionen zu vermarkten. Bis zum Jahr 2012 sind der RAG hierfür öffentliche Mittel von 16 Milliarden Euro zugesagt. Die reichen aber bei weitem nicht aus, das heutige Produktionsniveau der noch zehn Zechen zu halten.

So wird sich nach der jüngsten Kohlevereinbarung zwischen Bund, Land-NRW und dem RAG-Konzern die Zahl der Bergwerke bis 2012 halbieren.

Kohle wird zu rund drei Vierteln in Kraftwerken zur Stromproduktion verfeuert und geht zu einem Viertel als Kokskohle oder Koks an die Stahlindustrie.

Preisschub für Koks

Die weltweite Nachfrage nach Energie und ein Stahlboom in China haben besonders den Preis für Koks angeheizt. Er schoss von weniger als 100 Dollar Ende 2002 zeitweise auf über 400 Dollar hoch und bewegt sich momentan zwischen 250 und 300 Dollar.

Mit diesen Preisen kann deutsche Kohle wettbewerbsfähig "zu Koks gedrückt" werden, wie es im Fachjargon heißt. Vieles spricht dafür, dass die Preise vorerst auf dem Niveau bleiben, und so schafft die RAG gemeinsam mit der Stahlindustrie unerwartet neue Kapazitäten für die Herstellung von Koks.

Die Kapazität der letzten Kokerei des Energiekonzerns soll um 1,3 Millionen auf 3,3 Millionen Tonnen ausgebaut werden. Das ist schon eine kleine Sensation.

Anschubfinanzierung vom Bund

Müller denkt plötzlich aber auch laut über einen Ausbau der Förderung von Kokskohle durch ein neues Grubenfeld nach. Das kostet schätzungsweise 800 Millionen Euro. Soll der Ausbau der Kokerei von der Stahlindustrie bezahlt werden, bringt Müller für die Finanzierung der Zeche eine Anschubfinanzierung durch die öffentlichen Hand ins Gespräch.

Risikoteilung lautet das Stichwort. Der Staat soll das Projekt vorfinanzieren und bekommt sein Geld zurück, wenn die Grube nach 15 Jahren Geld abwirft.

Mit diesem Vorstoß geht Konzernchef Müller für die Kohle vehement in die Offensive. Folgen dürfte eine hitzige Debatte über die Zukunft der Kohle.

Selbst stemmen kann die RAG die Investitionen nicht - und wird es auch nicht wollen. Der Konzern ist ein gebranntes Kind. Er musste seine modernste Kokerei Kaiserstuhl bei Dortmund vor wenigen Jahren stilllegen, als Koks noch billig aus dem Ausland kam. Die Kokerei wurde zerlegt und Teil für Teil verkauft: nach China.

© SZ vom 16.9.04 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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