Elterngeld:"Sei still, Papa schaut Fußball"

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Leuchtendes Vorbild für die von der Koalition beschlossenen Vätermonate ist Schweden. Doch die Erfahrungen dort zeigen: Väter nehmen sich gerne dann frei, wann es ihnen selbst in den Kram passt. Etwa zur Fußball-Weltmeisterschaft.

Wolf Schmidt

Schweden war das erste Land, das ein Elterngeld eingeführt hat - und die Väter durch finanzielle Anreize motivierte, sich mehr um ihre Kleinen zu kümmern.

Auch so kann Elternurlaub aussehen: Mit Papa zu Hause vor der Glotze. (Foto: Montage: dpa/photodisc/thiessat)

Nach der Geburt des Kindes kann Mutti oder Vati eine Auszeit von bis zu 16 Monaten nehmen. Wer zu Hause bleibt, bekommt großzügige 80 Prozent seines Bruottgehalts. Zum Vergleich: In Deutschland sollen es 67 Prozent des Nettolohns sein.

Um die volle Unterstützung zu erhalten, muss in Schweden auch der jeweils andere Elternteil zwei Monate zu Hause bleiben. Auch diese Regelung hat Schwarz-Rot übernommen.

Glaubt man derzeitigen Medienberichten, haben diese "Vätermonate" dazu geführt, dass schwedische Männer mittlerweile ebenso fleißig Kinderwägen schieben und Windeln wickeln wie die Frauen. Das "Land der weiblichen Männer" - so nannte die Zeit Schweden.

Die Wirklichkeit sieht etwas anders aus.

Zwar bleiben inzwischen über 80 Prozent der schwedischen Väter zumindest für einige Zeit zu Hause. Trotzdem - und entgegen anders lautender Gerüchte - ist Kindererziehung auch in Schweden vor allem Frauensache: Insgesamt entfallen lediglich 19 Prozent der freien Tage auf die Väter.

"Väter gehen nur kurz an die Erziehungsfront"

Ein Team aus schwedischen und deutschen Forschern hat die Auswirkungen der 1995 eingeführten "Vätermonate" für das Bonner Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) untersucht. Die Ergebnisse sind ernüchternd.

"Die Väter gehen nur kurz an die Erziehungsfront", sagt Guido Friebel, einer der Autoren der Studie. "Und sie kümmern sich nur unwesentlich besser um ihre Kinder als vor der Reform." Denn wenn es hart auf hart kommt, müssten die Frauen ran: Sind die Kinder krank, bleiben nach wie vor in den meisten Fällen die Mütter zu Hause, nicht die Väter.

Ein weiteres Problem: Die schwedische Regelung erlaubt es den Eltern, ihre Auszeiten tageweise, sogar stundenweise, zu nehmen. Und das bis zum achten Lebensjahr des Kindes. Die Folge dieser Flexibilität: Viele Väter nehmen sich nicht etwa frei, wenn es dem Wohl des Kindes dient - sondern wenn es ihnen selbst am besten in den Kram passt: zu Weihnachten und Ostern, zur Verlängerung des Sommerurlaubs oder an Brückentagen. "Das hatten die Politiker so natürlich nicht gewollt", sagt Friebel.

Mit einem Auge beim Kind

Im Juni 2002 blieben auffällig viele Väter zu Hause - dem Monat der Fußballweltmeisterschaft in Japan und Südkorea. Auch bei anderen Sportereignissen wie der in Schweden sehr beliebten Winterolympiade stellten die Forscher diese Auffälligkeit fest. Auch die schwedischen Medien greifen das Problem immer wieder auf. "Es sind aber wohl nur einige Hunderte Männer, die das Elterngeld auf diese Weise zweckentfremden", beruhigt Friebel.

Während die große Koalition das schwedische Modell nachahmt, wollen die Schweden ihr Erziehungsgeld demnächst reformieren. Und die Fehler ausmerzen.

Eine Expertenkommission der Regierung hat vor wenigen Monaten unter anderem vorgeschlagen, die "Vätermonate" von zwei auf fünf aufzustocken, um Papa noch stärker in die Pflicht zu nehmen. Eine Entscheidung steht noch aus.

Doch trotz Kritik bleiben die schwedischen Vätermonate für die meisten Experten beispielhaft. "Es ist doch besser, die Väter kümmern sich beim Fußballschauen mit einem Auge um ihre Kinder als gar nicht", sagt Josef Schmid, Experte für Sozialpolitik an der Universität Tübingen. "Und wenn Vater und Kind gemeinsam Fußball schauen, ist das natürlich noch besser."

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