Elektroroller:Startschwierigkeiten

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Seit einem Monat gibt es in Norwegen E-Scooter – und schon blockieren sie Gehwege und Straßen. Bald sollen sie auch in Deutschland zugelassen werden. (Foto: Felicitas Wilke)

Seit Kurzem fahren Elektroroller durch Oslo. Doch viele stehen auch - vor allem im Weg. Im Sommer sollen die Geräte auch nach Deutschland kommen.

Von Felicitas Wilke, Oslo

Es ist ein sonniger Nachmittag kurz vor den Osterfeiertagen in Oslo. Der Rathausplatz der norwegischen Hauptstadt ist voll mit Einheimischen und Touristen, mit Fußgängern, Radfahrern und mit Menschen auf wahlweise mintgrünen oder lachsfarbenen Tretrollern. Ein junges Paar steuert kichernd auf einem Elektroscooter die Uferpromenade an, daneben dreht ein Mädchen im Grundschulalter konzentriert auf zwei Rädern ihre Runden.

Vor einem Monat haben der deutsche Anbieter Tier und der schwedische Wettbewerber Voi Hunderte Roller in Oslo aufgestellt. Dort lässt sich gerade ein Szenario beobachten, das bald auch in deutschen Städten zu erwarten ist, wenn die Elektroscooter dort - voraussichtlich im Sommer - zugelassen werden. In der Innenstadt fahren, stehen oder liegen die Roller alle paar Meter. Wer die dazugehörige App auf dem Smartphone hat und umgerechnet 15 Cent pro Minute plus einen Euro Aktivierungsgebühr ausgeben möchte, kann damit leise und erstaunlich schnell durch die Straßen flitzen. Doch das neue, als urban und sauber angepriesene Fortbewegungsmittel polarisiert die sonst ziemlich entspannten Norweger. Es macht Spaß, auf dem Scooter seine Runden zu drehen, das ist den meisten Nutzern ins Gesicht geschrieben. Doch an die Regeln, die den Nutzern beim Download der App mitgeteilt werden, hält sich praktisch keiner. Niemand trägt einen Helm, viele sind deutlich erkennbar unter 18, nicht wenige fahren zu zweit auf einem Scooter. Immer wieder stellen Nutzer die Geräte zudem gedankenlos mitten auf dem Gehweg ab. Dort behindern sie Fußgänger, besonders aber die Menschen, die sie nicht sofort bemerken.

Der norwegische Blindenverband berichtet davon, dass schon mehrere sehbehinderte Menschen mit den Rollern zusammengestoßen seien - sowohl mit falschparkenden Gefährten als auch mit Zweirädern, die Passanten im Vorbeifahren angerempelt hätten. "Die Fahrzeuge sind leise und schwer zu bemerken", sagte Verbandschefin Unn Ljøner Hagen dem Sender Radio Norge. So wie es auch in Deutschland geplant ist, werden die Elektroroller in Oslo rechtlich wie Fahrräder behandelt. Die Stadt sieht vor, dass sich die Scooter die Radwege mit Fahrradfahrern teilen und den Bürgersteig nur im Schritttempo nutzen. Außerdem ist es verboten, die E-Roller mitten auf dem Gehweg abzustellen. Man sei "zunehmend besorgt", dass sich daran viele nicht halten, teilt die städtische Umweltbehörde mit. Doch man könne nicht überall in der Stadt präsent sein, heißt es dort. "Wir sind darauf angewiesen, dass die Nutzer ihren gesunden Menschenverstand verwenden."

Die Anbieter beteuern, alles zu tun, um ihren Nutzern diese Tugend näher zu bringen. "Wir sind eine junge Branche und lernen unsere Kunden gerade erst kennen", sagt Kristina Nilsson, PR-Chefin von Voi. "Darauf reagieren wir und arbeiten mit den Städten zusammen." Das Unternehmen wolle den Kunden künftig noch genauere Hinweise geben, wo sie den Roller am besten abstellen, zudem übersetze man die App ins Norwegische.

Doch Sprachbarrieren und Parkprobleme sind nicht die einzigen Startschwierigkeiten, mit denen sich Anbieter und Kunden in Oslo herumschlagen. Wer bei schönem Wetter ein paar Meter auf dem E-Roller zurücklegen will, muss mitunter lange suchen. In einem Selbstversuch kam das Nachrichtenportal Shifter.no zu dem Ergebnis, dass 29 von 69 getesteten Tier-Rollern nicht funktionierten. Tatsächlich erscheint immer wieder ein Fehlerhinweis, wenn man mithilfe der App den QR-Code auf den Rollern einscannt, um das Gerät zu mieten. Man habe einen niedrigen Batteriestatus, heißt es dann bei Voi, der Wettbewerber Tier teilt lapidar mit, dieser Scooter sei nicht verfügbar. "Es ist so nervig", stöhnt ein Mann, der gerade vor einem Café erfolglos versucht hat, einen Tier-Roller auszuleihen. Das Exemplar von der Konkurrenz, das nebenan an einem Pfosten lehnt, lässt sich auch nicht starten.

Woran es liegt, dass zwar viele E-Roller herumstehen, aber an manchen Tagen ein Großteil nicht funktioniert, darüber lässt sich nur mutmaßen. Tier lässt eine Anfrage unbeantwortet, Voi verspricht, sich das Problem genauer anzuschauen. Womöglich fällt es den Betreibern gerade an son-nigen Tagen mit hoher Auslastung schwer, die Roller schnell genug wieder einzusammeln und den Elektromotor aufzuladen.

Trotz der Probleme wollen die Anbieter schnell wachsen. Voi plant, seine E-Scooter bald auch nach Deutschland bringen. "Sobald sie dort zugelassen sind, legen wir los", sagt Nilsson. Das schwedische Unternehmen habe vor allem Berlin, München und die Großstädte in Nordrhein-Westfalen im Blick. Und es weiß schon jetzt, was noch zu tun ist.

© SZ vom 23.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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