Einzelhandel:"Warenhäuser sind keine aussterbenden Dinosaurier"

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Der ehemalige Karstadt-Chef Walter Deuss glaubt an die Zukunft der Konsumtempel - wenn sie eine innere Erneuerung schaffen.

Von Harald Schwarz

Walter Deuss scheint an diesem Mittwoch in Frankfurt gut gelaunt zu sein.

Deuss hofft auf eine "Renaissance der Warenhäuser". (Foto: Foto: dpa)

Erst lobt er in seiner Funktion als Präsident der Bundesarbeitsgemeinschaft der Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels (BAG) die örtliche Wirtschaftsjournaille.

Dann hält er eine lange Rede - vor allem über die Misere im Handel und besonders die Krise der Waren- und Kaufhäuser. Und dann sagt er den lustigen Satz: "Ein gut erzogener Hund macht nicht ins eigene Heim, auch wenn er schon ausgezogen ist."

Deuss war bis Ende September des Jahres 2000 Vorstandschef des Karstadt-Quelle-Konzerns, den er nach Gutsherrenart leitete. Bei seinem Ausscheiden schien die Lage des Konzerns noch stabil gewesen zu sein.

Das Potential der "schlafenden Riesen" nutzen

Doch inzwischen ist er schwer angeschlagen. Deuss will sich dazu partout kein Wort entlocken lassen. Also bringt er das Hunde-Zitat. Es nutzt nicht viel.

Denn in seiner Ansprache zuvor hat er schon Tacheles geredet wegen der allgemeinen Kaufhaus- und damit indirekt auch der Karstadt-Krise.

Die Warenhäuser in den Ia-Lagen in den Innenstädten Deutschlands seien "alles andere als funktionslos gewordene Auslaufmodelle oder sterbende Dinosaurier", sagt Deuss. Sie seien vielmehr "schlafende Riesen", deren Potenziale nicht ausreichend genutzt würden.

Eine "Renaissance der Warenhäuser" sei allerdings nur durch eine innere Erneuerung herbeizuführen. Eine große Rolle spiele dabei die Frage der Führungsqualität. Deuss: "Von ihr ist die Zukunft der Warenhäuser im wesentlichen abhängig."

Aufgerieben im Mehrfrontenkrieg

Das sind starke Worte an die Adresse seiner Nachfolger. Der Niedergang der Konsumtempel ist dabei messbar.

Der Marktanteil der Warenhäuser am Einzelhandelsumsatz, der in diesem Jahr um 0,4 Prozent auf 372,1 Milliarden Euro sinken dürfte, ist auf 3,7 Prozent abgerutscht. Anfang der 70er Jahre machte er noch zehn Prozent aus.

In einem "Mehrfrontenkrieg" mit Spezialisten, Fachgeschäften, Discountern und Anbietern auf der Grünen Wiese haben sich die Warenhäuser aufgerieben, glaubt Deuss. Und sie haben fatale Fehler gemacht - etwa an Rabattschlachten teilgenommen und so die eigene Marke beschädigt.

"Es lässt sich nicht bestreiten, dass im Warenhausbereich Leistungskomponenten wegorganisiert worden sind, die von der Kundschaft vermisst werden." So werden gemeinhin schwere Managementfehler umschrieben.

Deuss sagt: "Gelingt es nicht, die Komplexität eines Warenhauses mental, organisatorisch und mit angemessenem Aufwand marktgerecht zu beherrschen, so darf man sich über Erfolglosigkeit nicht wundern."

Die Zukunft des Warenhauses sieht der Ex-Manager entweder in einer Kombination aus Kaufhaus und Fachgeschäft (Galeria-Konzept) oder in einem Auftritt mit Themenschwerpunkten.

Und dann müssten laut Deuss die Verkaufsflächen als "Bühnen für die Inszenierung attraktiver Sortimente" begriffen werden. Mit Erfolg machten dies Harrods in London und El Corte Inglés in Spanien vor. Abgerundet werden müsse die Inszenierung mit Service-Angeboten und einer "guten Bedienung".

Hoffnung auf die "schwarze Null"

Mancher amtierende Handelsmanager mag denken, dass Deuss gut reden hat. Denn der frühere Karstadt-Boss (von 1982 bis 2000) tritt Anfang Dezember auch als BAG-Präsident ab.

In diesem Job folgt ihm Helmut Merkel, Chef der Karstadt Warenhaus AG. Irgendwie scheint sich da ein Kreis zu schließen.

Die Probleme bleiben die Alten. Nach dem dritten Umsatzminus in diesem Jahr im Einzelhandel hofft die Branche für 2005 auf eine "schwarze Null", die nichts anderes als Stagnation bedeutet.

Die Konsumunlust hierzulande scheint kein Ende nehmen zu wollen. Die bittere Folge: Durch Kostensenkungsprogramme und Insolvenzen gingen per Ende März 2004 im Jahresvergleich über 56600 sozialversicherungspflichtige Stellen verloren - ein Minus von drei Prozent. Und der Stellenabbau soll weitergehen.

© SZ vom 18.11.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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