Einzelhandel:Neue Pfandpflicht ebnet Dose den Rückweg

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Für den Verbraucher wird die Rückgabe pfandpflichtiger Dosen vom 1. Mai an einfacher. Allerdings kämpft der Handel zwei Wochen vor Inkrafttreten der neuen Regeln noch mit praktischen Problemen.

Stefan Weber

In der langen Geschichte der Verpackungsverordnung beginnt demnächst ein neues Kapitel. Dann müssen Händler, die Getränkedosen oder Einwegflaschen verkaufen, alle Verpackungen dieser Materialart zurücknehmen - ganz gleich, ob diese aus dem eigenen Sortiment stammen oder von der Konkurrenz in Umlauf gebracht wurden.

(Foto: Foto: dpa)

Damit entfallen die vor allem von Discountern wie Aldi oder Lidl praktizierten Insellösungen, bei denen sich die Händler lediglich zur Rücknahme des Leerguts aus dem eigenen Verkaufsprogramm verpflichten. Die Branche erwartet, dass damit Einwegflaschen und vor allem Dosen vor einem Comeback stehen.

Ausnahmen gelten von Mai an nur für Läden mit einer Verkaufsfläche von weniger als 200 Quadratmetern, also beispielsweise für Kioske. Sie müssen auch in Zukunft nur Gebinde derjenigen Marken zurücknehmen, die in ihrem Verkaufsregal stehen. Die Liste der Getränke, für die die Verbraucher Pfand zahlen müssen, verlängert sich zum 1.Mai.

Dann gilt auch eine Pfandpflicht für kohlensäurefreie Erfrischungsgetränke und alkoholhaltige Mischgetränke. Ausgenommen vom Pfand sind nach wie vor Weine, Milch und Säfte. Außerdem Verpackungen, die nach Ansicht des Gesetzgebers als ökologisch vorteilhaft gelten, wie etwa Getränkekartons.

Einzelhandel, Getränkeindustrie und Verpackungshersteller bereiten sich seit Monaten intensiv auf die neuen Pfandregeln vor. Händler stehen vor der Frage, wie sie die zu erwartende Leergut-Flut bewältigen sollen. Für das Jahr 2007 rechnen Fachleute mit 18 Milliarden Einweggebinden, die bepfandet zurückgenommen, gezählt und entsorgt werden müssen. Per Hand ist das nicht zu machen.

Investitionen von mehr als 1,2 Milliarden Euro

In vielen Läden werden deshalb neue Rücknahmeautomaten installiert. Nach Auskunft von Wincor Nixdorf, dem hinter der Tomra-Gruppe zweitgrößten Anbieter von Leergutrücknahme-Systemen, werden von Anfang Mai an bundesweit etwa 10.000 Automaten in Betrieb sein. "Viele Händler warten noch ab", heißt es.

Dennoch schätzt das Unternehmen, dass Ende 2007 etwa 30.000 Rücknahmeautomaten installiert sein werden. Das erfordert Investitionen von mehr als 1,2 Milliarden Euro, wie der Metro-Konzern errechnet hat. Hinzu kommen Ausgaben für bauliche Veränderungen in den Märkten und Serviceleistungen der Geräteanbieter.

In der Getränke- und Verpackungsindustrie gilt es als sicher, dass die neuen Pfandregeln Einwegverpackungen zu einem Comeback verhelfen. In den vergangenen Jahren hatten Händler vor allem Dosen und Einwegflaschen aus ihrem Sortiment verbannt, weil deren Rücknahme Probleme bereitete.

Chancen für Glasindustrie

"Jetzt werden die Karten neu gemischt. Einweggebinde kehren in die Verkaufsregale zurück", sagte Jörg Croseck, Geschäftsführer der Mineralwasser-Gruppe Gerolsteiner der Süddeutschen Zeitung. Dieser Trend begünstigt nach seiner Überzeugung vor allem Markenartikel-Hersteller, die künftig verstärkt neue Getränke im Handel platzieren können. Croseck erwartet, dass damit die überwiegend am Massengeschmack orientierten Discounter aus Sicht mancher Kunden an Attraktivität verlieren.

Begünstigt durch die bisher gültige Pfandregelung haben die Billiganbieter ihren Marktanteil im Wassergeschäft seit 2002 von 15 auf 40 Prozent gesteigert.

Von dem erwarteten Vormarsch der Einweggebinde erhoffen sich die Hersteller von PET-Gebinden und Dosen gleichermaßen Impulse. Auch die Glasindustrie wittert neue Chancen.

"Es gibt deutliche Signale vom Handel für eine neuerliche Listung von Glasflaschen", sagt Paul Neeteson, Präsident des Bundesverbandes Glasindustrie. Nach Erkenntnis der Unternehmensberatung Roland Berger verursachen Glasflaschen bei der Abfüllung die niedrigsten Kosten aller Einweggebinde.

Mit der letzten Änderung der Verpackungsverordnung vor drei Jahren waren Getränkedosen nahezu vollständig aus den Verkaufsregalen verschwunden. Der Absatz in Deutschland schrumpfte von 7,5 Milliarden auf weniger als 500 Millionen Stück pro Jahr. Jetzt registrieren die Dosenhersteller wieder vermehrt Anfragen von Abfüllern und Handel.

"Es gibt sehr konkrete Gespräche mit vielen Brauereien, sagte Hanno Fiedler, Aufsichtsratschef von Ball Packaging Europa, dem größten deutschen Dosenhersteller, der SZ. Er rechnet damit, dass in diesem Jahr wieder etwa eine Milliarde Dosen verkauft werden. "2008 könnte das vor der Pfandpflicht erreichte Volumen von mehr als sieben Milliarden Stück wieder erreicht sein", sagt er.

© SZ vom 18.4.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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