Eintreiber Lone Star:Scharf auf schlechte Schuldner

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Der texanische Finanzinvestor Lone Star kauft deutschen Banken riskante Kredite ab, um das Geld dann einzutreiben - die Institute wollen sich mit dem Geschäft nicht mehr die Hände schmutzig machen. Geld lässt sich damit aber offenbar ganz gut verdienen.

Simone Boehringer

Solch ein Hochsicherheitstransport dürfte selten über deutsche Autobahnen rollen: Mit Polizeieskorte reisten im Februar 2000 Aktenordner, randvoll mit Dokumenten zu 1350 Darlehensverträgen der Münchner Immobilienbank Hypo Real Estate, in das Frankfurter Büro des texanischen Finanzinvestors Lone Star.

Gehört zum üblichen Repertoire der Schuldeneintreiber: Der Gerichtsvollzieher. (Foto: Foto: ddp)

Fast eine halbe Milliarde Euro war der Papierberg einmal wert - lauter Verträge über den Kauf und die Finanzierung von fast tausend Wohn- und Gewerbeimmobilien in Deutschland.

So viel wie möglich eintreiben

Es geht um ein Geschäft, mit dem sich deutsche Banken die Hände nicht mehr schmutzig machen wollen, mit dem sich aber offenbar viel Geld verdienen lässt: Lone Star lebt davon, anderen Not leidende Kredite abzukaufen, um anschließend so viel wie möglich bei den säumigen Schuldnern einzutreiben.

Damit nimmt Lone Star den Banken das Risiko, auf den Außenständen sitzen zu bleiben - und erhält selbst die Chance, viel herauszuschlagen.

Mehr als 20 Prozent Rendite sollen die Investments im Branchenschnitt bringen. Das Geld für den Aufkauf der Schulden wiederum hat sich Lone Star bei Investoren geholt.

Leistungsgestörte Darlehen aller Art

"Unsere Fonds kaufen leistungsgestörte Darlehen aller Art", sagt Karsten von Köller, Deutschland-Chef des Unternehmens. "Die Schwesterfirma Hudson Advisors verwertet sie."

Binnen weniger Monate wurde das US-Unternehmen durch spektakuläre Aufkäufe in Deutschland Marktführer bei den faulen Krediten.

Für die Texaner ist Köller, der schon 20 Berufsjahre an der Spitze deutscher Immobilienbanken verbracht hat, der richtige Mann zur richtigen Zeit. Sie holten ihn Anfang des Jahres, praktisch schon auf dem Sprung in den Ruhestand, zu Lone Star.

Der Mann ist ein Synonym für Seriosität. Und das ist in einem Markt, der in Deutschland erst seit gut einem Jahr existiert, enorm wichtig. Denn mit faulen Krediten wird hier zu Lande erst seit kurzem gehandelt.

Er müsse "viel Überzeugungsarbeit leisten", sagt Köller. Und so zieht er durch die Lande - meist unterwegs zu den Vorstandsetagen der Banken und immer auf der Suche nach einem neuen lukrativen Geschäft.

Mächtiges Volumen

Experten schätzen das Volumen an Problemkrediten in Deutschland auf 300 bis 400 Milliarden Euro. Das entspricht etwa der jährlichen Wirtschaftsleistung der Niederlande.

Nach dem Abflauen der Wende-Euphorie Anfang der 90er Jahre entpuppten sich vor allem in Ostdeutschland viele Immobilienprojekte als Milliardengräber. Mit dem Platzen der Internetblase 2000 stiegen zudem die Ausfallraten der Banken bei Firmenkrediten rapide an.

In der Frankfurter Deutschland-Zentrale, die sich eine Hand voll Lone-Star-Manager mit mehr als 100 Abwicklern von Hudson teilen, geht es nüchtern zu. Hier gibt es keinerlei Schnickschnack. Die auf zwei Etagen verteilten Räume am Rande des Bankenviertels verbreiten den Charme eines Call Centers. In vier- bis fünfköpfigen Teams sitzen sich Portfoliomanager, Immobilienspezialisten und Assistenten im Businesslook gegenüber, obwohl keinerlei Kundenbesuche anstehen.

Business-Plan für jede Immobilie

"Für jede Immobilie wird ein Business-Plan erstellt. Die Forderungen werden detailliert auf ihre Verwertbarkeit hin geprüft", sagt Christine Reisinger, leitende Portfoliomanagerin bei Hudson in Frankfurt.

Wie viel Geld aus Projekten herauszuholen ist, hänge oft von monatelanger Sisyphusarbeit ab. "Wir brauchen Mitarbeiter, die unsere Forderungen bei den Schuldnern mit Nachdruck vertreten", sagt Reisinger.

Lone Star hat in den acht Jahren seit seiner Gründung bei internationalen Investoren weit mehr als zehn Milliarden Dollar eingesammelt, unter anderem bei den Pensionsfonds der Vereinten Nationen und der Weltbank.

Einkaufstour in Deutschland

Während die Gesellschaft früher vorwiegend in Südostasien aktiv war, darf Köller jetzt in Deutschland auf Einkaufstour gehen. Fünf Milliarden Dollar hat Lone Star in seinem jüngsten Fonds eingesammelt, davon darf der Banker ein Drittel in Deutschland ausgeben.

Gepaart mit etwa dem Drei- bis Vierfachen dieser Summe an Fremdmitteln, die üblicherweise bei Deals zur Verfügung stehen, gehört Lone Star damit wohl zu den liquidesten Finanzadressen im Land.

Die etwa 40 weltweiten Verhandlungsführer von Lone Star und ihre 900 Mitarbeiter starke "Abwicklungsfirma" Hudson Advisors haben das übliche Repertoire zum Schuldeneintreiben zur Verfügung: Gerichtstitel, Zwangsverwaltung oder Zwangsversteigerung.

Aber diese Palette nutzen die Amerikaner nach eigenem Bekunden nicht aus. "Schuldner, die verhandlungsbereit sind, können sich mit uns schneller einigen als mit der Bank", sagt Köller. "Wir haben Interesse an Klärung und Wiederherstellung intakter Kundenbeziehungen", sagt Portfoliomanagerin Reisinger.

Gern gesehener Besucher

Eigentlich wäre dies die Aufgabe der Banken. Aber vielen deutschen Geldinstituten ist dies zu viel geworden. "In einigen Banken herrscht Land unter", sagt Köller, bis vor einem Jahr selbst Chef der Immobilienbank Eurohypo. So ist er inzwischen bei deutschen Bankvorständen zu einem gern gesehenen Besucher geworden.

Wie viel die Schuldenaufkäufer verdienen, hängt entscheidend davon ab, was sie vorher für die Kreditpakete bezahlt haben. Daraus macht die Branche ein großes Geheimnis.

Köller sagt nur so viel: Die Kaufsummen bewegten sich zwischen 20 Prozent des ursprünglichen Kreditvolumens "für ausgelutschte Portfolien", wo von den Schuldner nicht mehr viel zu holen sei, bis zu 75 Prozent für Verträge, um die sich die Banken noch gar nicht gekümmert hätten.

Welche Gebäude? Geschäftsgeheimnis

Lone Star soll inzwischen in jeder größeren deutschen Stadt bis zu vier Immobilien gehören. Köller dementiert nicht. Er verweist auf eine Deutschlandkarte an der Wand. Sie ist übersät mit gelben, roten und blauen Punkten. "Gehen Sie davon aus, dass wir bei den meisten Prestigeobjekten mit im Boot sitzen." Welche Gebäude? Geschäftsgeheimnis.

Auch im frisch bezogenen Münchner Büro von Hudson in der Nähe des Hauptbahnhofs finden sich keine Hinweise auf die Errungenschaften der Texaner. Die Einrichtung ist ähnlich nüchtern wie in Frankfurt. Handwerker arbeiten noch an der Deckenbeleuchtung. Die Aktenberge fehlen bislang.

Stück für Stück

Die Münchner kümmern sich um die Abwicklung von 4200 Darlehen im Nennwert von 3,6 Milliarden Euro, die Lone Star im September, wieder einmal von der Hypo Real Estate, erworben hat. "Wir müssen uns Stück für Stück vorarbeiten", sagt Reisinger.

Wenn es nach Lone-Star-Chef Köller geht, dürfte dieser bislang größte Deal nicht der letzte sein: "Wir prüfen, ob wir unser Geschäft systematisch von Immobilien- auf Firmenkredite erweitern."

Seiner Ansicht nach wird der heimische Markt fauler Kredite in den nächsten fünf Jahren verteilt. Dann zieht die Lone-Star-Karawane weiter. Vielleicht zurück ins Heimatland USA. Dort machen Experten in Ballungszentren schon die nächste Immobilienblase aus.

© SZ vom 18.12.04 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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