Eigenes Betriebssystem:Facebook macht's allein

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Auf den Virtual-Reality-Brillen des Konzerns läuft bislang Software von Google. Diese Abhängigkeit will Mark Zuckerberg jetzt reduzieren: Kommende Produkte sollen ohne Android auskommen, berichtet ein Tech-Portal.

Wenn man die Machtverhältnisse von Facebook beschreiben will, hilft ein Bild: das größte soziale Netzwerk besitzt ein Grundstück, auf dem zwei prunkvolle Anwesen stehen: der Android-Palast und die iOS-Villa. Apple und Google haben diese Gebäude errichtet und sie geben die Hausregeln vor. Das Einzige, was Facebook-Chef Mark Zuckerberg selbst gestalten darf, ist die Innenarchitektur. Nun möchte er - im übertragenen Sinne - vom Grundstücksbesitzer zum Bauherrn werden, um weniger abhängig von den Architekten der Konkurrenz zu sein.

Das berichtet zumindest das Tech-Portal The Information. Bislang entwickelt Facebook Hardware und eigene Apps, die dem Grundstück und der Einrichtung entsprechen. Jetzt soll alles aus einer Hand kommen: Facebook arbeitet an einem Betriebssystem, das dem Unternehmen die vollständige Kontrolle geben soll. Seit der Konzern 2014 Oculus übernahm, stellt er Virtual-Reality-Brillen (VR-Brillen) her. Zudem produziert Facebook das Smart-Display "Portal", das den Home- und Echo-Lautsprechern von Google und Amazon ähnelt. Darauf laufen angepasste Versionen von Googles Betriebssystem Android. Facebook bleibt also abhängig von der Konkurrenz.

Neben der Unabhängigkeit von Google hätte ein eigenes Betriebssystem einen weiteren Vorteil für Facebook: Das Unternehmen arbeitet derzeit an einer Augmented-Reality-Brille (AR), wie der zuständige Produktmanager Ficus Kirkpatrick im Oktober bestätigte. Sie wird womöglich speziell für Instagram vermarktet. Liefe auf so einer Brille ein Facebook-Betriebssystem, wäre es für Kartellwächter schwieriger, das Unternehmen zu entflechten: Je enger Facebook seine Apps Instagram und Whatsapp an sich bindet, desto schwieriger würde es, den Gordischen Knoten aus den verschiedenen Systemen zu zerschlagen. Dabei kritisieren Behörden in mehreren Ländern Facebooks Machtkonzentration.

Ein Betriebssystem von Grund auf neu zu gestalten ist aufwendig, zumal Facebooks frühere Versuche gefloppt sind. Bevor das Unternehmen Hardware mit einem Facebook-System vorstellt, dürften Jahre vergehen. Zuckerberg wettet darauf, dass virtuelle und erweiterte Realität die Art und Weise prägen werden, wie Menschen künftig Inhalte konsumieren. Noch hat die VR-Technik den Durchbruch auf dem Massenmarkt aber nicht geschafft.

Der aktuelle Bericht erhärtet frühere Recherchen von Bloomberg und Financial Times, wonach Facebook dazu einen eigenen Chip bauen will. Er soll Berechnungen für künstliche Intelligenz beschleunigen. Wie groß Facebooks Ambitionen im Hardware-Bereich sind, zeigen nicht nur die Betriebssystem-Pläne, sondern auch ein analoges Vorhaben: Der Konzern baut im kalifornischen Burlingame einen neuen Standort. Etwa 4000 Angestellte sollen AR- und VR-Produkte sowie andere Prototypen entwickeln. Besucher sollen Facebook-Hardware ausprobieren können wie im Apple-Store.

Auf absehbare Zeit wird Facebook aber sein Geld weiter fast ausschließlich damit verdienen, Daten zu sammeln und Werbeplätze zu vermarkten.

© SZ vom 21.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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