EC-Kartenmissbrauch:Wie geheim ist die Geheimnummer?

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Ein Problem, das seit Jahren ungeklärt ist: Wie sicher ist das Abheben am Geldautomaten? Und wer haftet, wenn der Kunde behauptet, seine EC-Karte sei vor dem Abheben gestohlen worden? Der Bundesgerichtshof befasst sich erstmals mit diesen Fragen.

Von Daniela Kuhr

Für Geübte ist es eine Kleinigkeit: In der vollen U-Bahn oder auf dem belebten Marktplatz genügt ein geschickter Griff in die Tasche, und der Geldbeutel ist gestohlen - mit ihm häufig die EC-Karte.

Das Opfer beruhigt sich mit dem Gedanken, dass der Dieb mit der Karte allein nicht viel anfangen kann. Um Geld am Automaten abheben zu können, bräuchte er noch die Persönliche Identifikations-Nummer (PIN). Und die kennt schließlich nur der rechtmäßige Besitzer der Karte. Der Empfehlung der Banken folgend hat er sie auch nirgends notiert, schon gar nicht im Geldbeutel und erst recht nicht auf der Karte selbst.

Trotzdem hört man immer wieder von Fällen, in denen kurz nach dem Diebstahl oder Verlust der Karte ein Unbefugter Geld abgehoben hat. Die Frage, wer für diesen Schaden haftet, ist bislang ungeklärt.

Zahlreiche Gerichte haben sich schon damit befasst und zum Teil sehr unterschiedlich geurteilt. Die einen folgen der Argumentation der Banken, die sich auf den Standpunkt stellen, dass ihr System zur Verschlüsselung der PIN sicher ist. Hat jemand mit richtiger Geheimnummer unbefugt Geld abgehoben, spreche die Lebenserfahrung dafür, dass der Kunde sich grob fahrlässig verhalten habe.

Entweder habe er die Geheimnummer eben doch irgendwo notiert, oder er habe sie jemand anderem mitgeteilt. Mit anderen Worten: Der Kunde ist selbst schuld.

Sofort sperren lassen

Andere Gerichte dagegen gaben den Geschädigten recht und lehnten den so genannten "Anscheinsbeweis" ab: Allein aus der Tatsache, dass der Dieb die richtige Geheimnummer eingegeben habe, könne man nicht auf fahrlässiges Verhalten des Kunden schließen.

Dafür gebe es zu viele Möglichkeiten, um an die PIN zu kommen. Neben technischen Methoden, wie dem Ausspähen per Videokamera oder dem Anbringen einer Attrappe am Geldautomaten, gebe es auch die "völlig nichttechnische" Variante, dass der Dieb seinem späteren Opfer beim Geldabheben "gleichsam über die Schulter schaut", schrieb zum Beispiel das Landgericht Osnabrück in einem Urteil vom vergangenen Jahr (Aktenzeichen: 7 S 641/02).

"Die Rechtslage ist völlig ungeklärt", sagt Hartmut Strube von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen (NRW). Es sei höchste Zeit, dass der Bundesgerichtshof (BGH) ein Grundsatzurteil spreche.

Der Verbraucherschützer ist aber skeptisch, dass die Klage, die an diesem Dienstag in Karlsruhe verhandelt wird, schon den gewünschten Durchbruch bringt. "In den Vorinstanzen dieses Verfahrens wurde die entscheidende Frage gar nicht thematisiert", sagt der Jurist.

Denn der Knackpunkt sei doch, dass die EC-Kartensysteme niemals genau überprüft wurden. Den gerichtlich bestellten Gutachtern hätten die Banken "aus Sicherheitsgründen" keinen Einblick in ihre Systeme gewährt, so dass die bisherigen Gutachten nur auf Angaben der Kreditinstitute und nicht auf eigenen Erkenntnissen beruhen.

Strube erhofft sich deshalb mehr Erfolg von den Klagen, die die Verbraucherzentrale NRW derzeit gegen fünf Geldinstitute führt. Stellvertretend für 74 Kunden fordert sie insgesamt rund 85000 Euro. Die Zahl der Betroffenen sei aber deutlich höher. So hätten sich nach einem Aufruf der Verbraucherschützer mehr als 1000 Geschädigte gemeldet. Strube hat zwar "durchaus Verständnis dafür, dass die Banken keinen Einblick in ihre Verschlüsselungssysteme gewähren".

Die Folge könne aber nicht sein, dass die Systeme damit automatisch als sicher gelten und der Kunde die Folgen eines Kartenmissbrauchs selbst tragen müsse. "Die Bank sollte die Beweislast dafür tragen, dass sich der Kunde fahrlässig verhalten hat", meint Strube.

89 Millionen Bankkunden-Karten sind derzeit nach Angaben des Bundesverbands deutscher Banken (BdB) im Umlauf. Eine Statistik über die Schadensfälle führt der Verband nach eigenen Angaben nicht. Fest steht jedoch: Ist die EC-Karte erst einmal gesperrt, kann nichts mehr passieren. Denn beim nächsten Versuch, Geld abzuheben, zieht der Automat die Karte ein.

Nach einem Verlust sollte man deshalb umgehend die Sperrung veranlassen. Dafür gibt es die zentrale Nummer 01805 /021 021, Kosten: 12 Cent pro Minute. Der Sprachcomputer fragt Kontonummer und Bankleitzahl ab, diese sollten also bekannt sein.

© SZ vom 5.10.04 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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