Drohende Verfassungsklage:Steinbrück verteidigt Haushaltspläne der Koalition

Lesezeit: 2 min

Der Haushalt 2006 bricht erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik das Grundgesetz, weil die Neuverschuldung höher als die Investitionen sind. Die Opposition will daher vor dem Bundesverfassungsgericht klagen und stößt damit bei Steinbrück auf wenig Verständnis.

Dass der Haushalt 2006 mit seiner geplanten Neuverschuldung gegen die Regelgrenzen aus dem Grundgesetz verstößt, sei "kein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik", sagte Peer Steinbrück der Berliner Zeitung.

Sieht sich einer desolaten Haushaltslage gegenüber - Finanzminister Peer Steinbrück. (Foto: Foto: dpa)

"Wir werden das begründen mit dem, was die Verfassung vorsieht: Der Abwehr eines gesamtwirtschaftlichen Ungleichgewichts." Die Kritik von FDP und Grünen wies er zurück. "Wenn Herr Solms statt meiner Finanzminister wäre, unterläge er genau denselben Zwängen wie ich", sagte Steinbrück. "Deswegen ist in der Kritik viel Unaufrichtiges dabei."

SPD und Union hatten nach der Einigung auf ein gemeinsames Regierungsbündnis am Wochenende angekündigt, bewusst eine zu hohe Neuverschuldung einzugehen und damit keinen verfassungskonformen Bundesetat für 2006 vorlegen zu wollen. Sie wollen so die Konjunktur ankurbeln.

Die neue Bundesregierung will 2006 einen Haushalt vorlegen, der 41 Milliarden Euro Neuverschuldung und nur 23 Milliarden Investitionen vorsieht. Laut Grundgesetz dürfen die Kredite jedoch die Summe der Investitionen nicht übersteigen. Nur im Ausnahmefall einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts ist eine höhere Neuverschuldung zulässig, aber auch das nur unter bestimmten Bedingungen.

Die drei kleinen Oppositionsparteien FDP, Grüne und Linkspartei erwägen daher eine Verfassungsklage gegen den Haushaltsentwurf. Die Voraussetzungen dafür sind zahlenmäßig jedoch nicht gegeben: Die Klage muss von mindestens einem Drittel der Mitglieder des Bundestages gestellt werden. Die drei Oppositionsparteien kommen zusammen auf 166 von 614 Abgeordneten, für eine Klage notwendig wären 205 Parlamentarier.

"Arroganz der Macht"

FDP-Generalsekretär Dirk Niebel sagte der Nachrichtenagentur dpa, die FDP prüfe auch individuelle Verfassungsbeschwerden. Die FDP spreche zudem mit den anderen Fraktionen, um die rechtlichen Voraussetzungen für Klagen von Oppositionsfraktionen auch bei einer Zwei-Drittel-Mehrheit der Regierung zu verbessern. FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt sieht rechtliche Schritte allenfalls nach Verabschiedung des Etats 2006. Dies wird wahrscheinlich frühestens im Mai sein.

Auch die Vorsitzenden der Linkspartei-Fraktion, Gregor Gysi und Oskar Lafontaine, erklärten, die Finanzpolitik von Union und SPD sei nicht hinnehmbar. Grünen-Chef Reinhard Bütikofer warnte vor einem "sehr laxen Umgang mit der Verfassung", den man nicht akzeptieren könne. Bütikofer sprach von "Arroganz der Macht" bei Union und SPD.

Die designierte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte bei Vorstellung des Koalitionsvertrages erklärt: "Wir sagen ganz ehrlich, und das hat es so noch nicht gegeben in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, dass wir 2006 keinen verfassungskonformen Haushalt vorlegen können."

"Einmaliger Haushalt"

Die Koalition habe sich entschieden, die Veräußerung restlicher Vermögenswerte und entsprechende Erlöse daraus auf die Folgejahre zu verteilen und nicht komplett 2006 zu veräußern. Auch sollten 2006 keinesfalls Sparmaßnahmen ergriffen werden, die erkennbar einen Wirtschaftsaufschwung behindern würden.

"Hätten wir einfach die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts angenommen, hätten wir ganz andere Maßnahmen treffen müssen, die nach unserer Überzeugung nicht zu einem wirtschaftlichen Aufschwung geführt hätten", hatte Merkel gesagt.

Nach den Worten von CSU-Chef Edmund Stoiber war lange darüber diskutiert worden, ob der Haushalt mit der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts begründet werde. "Wir haben das nicht getan, weil wir deutlich machen wollen - auch mit diesem einmaligen Haushalt - in welcher Situation wir uns befinden." Der künftige Vizekanzler Franz Müntefering hatte auf die Frage, ob das Vorgehen mit der Störung des Gleichgewichts begründet werde, geantwortet: "Wir begründen das nicht damit."

© AP/AFP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: