Dosenstreit:Meine Studie, deine Studie

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Im Streit um das Dosenpfand gehen die Lobbyisten in die letzte Runde. Jede Seite kann aus der passenden Studie zitieren.

Von Michael Bauchmüller

(SZ vom 10.09.03) - Kostet das Dosenpfand nun 9.500 Arbeitsplätze? Bringt es 6.500? 14.000? Drei Wochen vor Ablauf der letzten Gnadenfrist ist der Kampf um das Zwangspfand wieder voll entbrannt. Diesmal geht es um die Jobs, die - je nach Studie - durch die Neuregelung geschaffen oder vernichtet werden.

Ursprünglich sollte der 1. Oktober der Tag sein, von dem an Bundesbürger ihr Pfand auf leere Dosen oder Einwegflaschen bundesweit kassieren können - so, wie sie es von Mehrwegflaschen schon lange gewöhnt sind. Das wird wohl nicht ganz klappen.

Seit Ergebnisse einer Prognos-Studie bekannt geworden sind, die von Arbeitsplatzverlusten durch das Zwangspfand ausgeht, wittern die Pfand-Gegner Morgenluft: Die Studie beweise, dass die Einführung des Pfandes mehr Jobs zerstört habe, als sie schuf, wettert die Arbeitsgemeinschaft Verpackung und Umwelt (AGVU), hinter der Pfand-Gegner aus Handel, Getränke- und Verpackungsindustrie stehen.

"Pfandsackgasse"

Gemeinsam müsse man nun "ergebnisoffen" aus der "Pfandsackgasse" finden, lässt sich der Kölner Betriebswirtschafts-Professor Werner Delfmann, Kopf der AGVU, zitieren.

Radikale Pfandbefürworter, allen voran Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe, machen die Gegenrechnung auf: So seien Verkäufer mit einem durchschnittlichen Pfand-Kunden 44 Sekunden beschäftigt, denn der gebe nicht eine einzelne Dose oder Flasche ab, sondern 5,2.

Das wiederum schaffe in großen Supermärkten, die den größten Teil der Verpackungen zurücknehmen, 6.500 neue Arbeitsplätze, fand die Umwelthilfe heraus. Vorausgesetzt, die Dosen werden von Hand zurückgenommen - bei Rücknahme per Automat entstünden weniger Arbeitsplätze.

Unsicherheit

Der neue Streit setzt die Unsicherheit fort, die seit Monaten auf den Dosenpfand-Plänen lastet. Derzeit wagt kaum ein Hersteller oder Einzelhändler, sich auf das eine oder andere Pfandsystem festzulegen - schließlich weiß er nicht, wie sich die politische Großwetterlage entwickelt.

Mal drohte der Handel mit einem Boykott, mal fürchtete die EU-Kommission, das Pfand diskriminiere ausländische Anbieter, Klagen waren anhängig und wurden abgewiesen. Gerüchteweise drohten große Einzelhändler Getränkeherstellern, ihre Produkte künftig nicht mehr zu verkaufen, sofern sie zu laut Sympathien für ein Rücknahmesystem äußerten.

Kaum zu erwarten, dass sich bis zum 30. September ein Ausweg aus der "Pfandsackgasse" findet - zumal der Graben nun quer durch die Bundesregierung geht: Die Prognos-Studie, auf die sich die Pfand-Gegner nun so gern beziehen, war vom Bundeswirtschaftsministerium in Auftrag gegeben worden.

Zweite Front der Eitelkeiten

Neben dem Streit um die Förderung der Windenergie haben die Kabinettskollegen Jürgen Trittin (Grüne) und Wolfgang Clement (SPD) noch eine zweite Front der Eitelkeiten eröffnet.

Aber Gesetz ist Gesetz, und deshalb werden Einwegflaschen und Dosen zum 1. Oktober aus vielen Regalen verschwinden. Discount-Märkte werden ein eigenes Rücknahmesystem für ihre jeweiligen Getränke-Verpackungen aufbauen, Kioske und Tankstellen nehmen Dosen zurück.

Ein System nach Vorbild des Mehrweg-Verbundes wird es so schnell wohl nicht geben, auch wenn es an Ideen nicht mangelt. Aber wahrscheinlich binden so groteske Debatten wie die um den Arbeitsaufwand einer Dosenrücknahme auch einfach zu viele Kräfte, um konstruktiv Lösungen zu suchen.

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