Discounter:Preise drücken bis das Kartellamt kommt

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Deutschlands Lebensmitteldiscounter liefern sich einen erbitterten Kampf um Marktanteile. Manche Waren könnten künftig sogar dauerhaft unter dem Einstandspreis angeboten werden, was die Wettbewerbshüter auf den Plan rufen dürfte.

Von Stefan Weber

Die Lebensmittel-Discounter stoßen in Deutschland an ihre Wachstumsgrenzen. Trotz erhöhter Werbeausgaben und der Eröffnung weiterer Filialen haben sie ihren Marktanteil im bisherigen Jahresverlauf nur geringfügig gesteigert. Gleichzeitig hat der Wettbewerb der Billiganbieter untereinander zugenommen.

(Foto: Grafik: sueddeutsche.de)

Nach Ermittlung des Marktforschungsunternehmens GfK haben die Discounter in den ersten sechs Monaten dieses Jahres rund drei Prozent mehr umgesetzt als im gleichen Zeitraum 2003.

Damit legten sie zwar erneut deutlich stärker zu als der Lebensmittelhandel insgesamt, der nur ein Plus von 1,5 Prozent verzeichnete. Aber es fällt den Billiganbietern immer schwerer, der Konkurrenz Marktanteile abzujagen.

Im vergangenen Jahr hatten sie ihren Umsatz noch um knapp sechs Prozent gesteigert; 2002 war es sogar in zweistelligem Tempo bergauf gegangen. In dieser Zeit traten die übrigen Händler weitgehend auf der Stelle.

Nahezu kein Wachstum mehr

"Flächenbereinigt verzeichnen die Discounter seit Jahresbeginn nahezu kein Wachstum mehr", sagte Wolfgang Twardawa, Handelsexperte bei der GfK. Vor allem Marktführer Aldi kommt offensichtlich kaum noch voran.

"Aldi ist bereits 2003 deutlich schwächer gewachsen als die übrigen Discounter, und im bisherigen Jahresverlauf herrscht dort nahezu Stagnation", bestätigte Marktforscher Fred Otto von ACNielsen.

Mit kräftig erhöhten Werbeaufwendungen stemmt sich der Marktführer gegen den Trend. Nach Angaben des Medienforschungsunternehmens Nielsen hat Aldi seine Brutto-Werbeausgaben in den ersten sieben Monaten im Vergleich zum Vorjahr um 44 Prozent auf 138 Millionen Euro gesteigert.

Mehr investiert hat unter den Händlern im gleichen Zeitraum lediglich Lidl: 186 Millionen Euro bedeuten gegenüber den ersten sieben Monaten 2003 eine Steigerung um 28 Prozent.

Jetzt prüft Lidl nach Informationen der Fachzeitschrift Horizont sogar den Einstieg in die Fernsehwerbung. Einen anderen Weg geht die Nummer drei unter den Discountern, der zur Tengelmann-Gruppe gehörende Filialist Plus. Seit einigen Monaten verteilt der Billiganbieter an die Haushalte im Umkreis seiner Läden Handzettel.

Preise weiter unter Druck

Neben verstärkten Werbeanstrengungen werden die Discounter nach Einschätzung von Twardawa möglicherweise demnächst auch mit weiteren Preissenkungen versuchen, an das gewohnte Wachstumstempo anzuschließen.

Aldi hatte erst im Juni die Preise für 30 Artikel um bis zu 24 Prozent herabgesetzt. "Diese Aktion hat Aldi im Juli und August einen Schub gebracht", sagte Twardawa. Aufgrund der vergleichsweise hohen Umsatzrenditen der Billiganbieter, insbesondere von Aldi Süd mit rund fünf Prozent, besitzt der Marktführer nach seiner Einschätzung Spielraum für weitere Rotstiftaktionen.

Frank Pietersen, Handelsexperte bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG, glaubt, dass die Preise so weit sinken, "bis das Kartellamt einschreitet." In Deutschland ist ein dauerhafter Verkauf von Waren unter Einstandspreis nicht erlaubt.

Um den übrigen Vertriebsformen weitere Marktanteile abzujagen und sich gegen andere Billiganbieter abzugrenzen, überprüfen alle Discounter derzeit ihr Sortiment. "Im Mittelpunkt steht dabei die Frage: Wie viel Non-Food-Artikel verträgt ein Discounter", sagt Peter Schommer, Partner bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young.

Mit Aktionsware, wie beispielsweise elektronischen Artikeln, ließen sich nur noch selten Kunden in die Läden locken. Auf der anderen Seite sei es aufgrund der meist höheren Margen reizvoll, andere Artikel als Lebensmittel ins Sortiment zu nehmen, meint Schommer.

Allerdings müssten die Discounter dann auch verstärkt Aufgaben übernehmen, die sie bisher aus Kostengründen anderen übertragen haben, etwa in der Logistik, bei der Lagerhaltung oder beim Service.

Die Marktforscher bei der GfK sind überzeugt, dass die Discounter ihren Marktanteil von heute gut 38 Prozent in den nächsten drei bis vier Jahren allenfalls auf 40 bis 43 Prozent steigern werden. "Mitbewerber, die mit ihrer Untätigkeit bei der Euro-Einführung den Erfolg der Discounter begünstigt haben, stehen heute sehr viel besser da", sagt Twardawa.

Zahl der Filialen steigt moderat

Bremsend wirkt nach Beobachtung von ACNielsen-Manager Otto der verschärfte Wettbewerb der Billig-Anbieter untereinander. Lidl und Netto treiben den Ausbau ihres Filialnetzes nach seiner Beobachtung deutlich schneller voran als Aldi, Plus, Norma und die Rewe-Tochter Penny.

Obwohl vor allem Aldi und Lidl an nahezu jedem Tag ein neues Geschäft eröffnen, steigt die Zahl der Discount-Filialen von derzeit rund 14 000 nur moderat. Denn die Billig-Anbieter schließen im Gegenzug nicht mehr zeitgemäße und ungünstig gelegene Läden.

"Nachdem die Mehrzahl der guten Standorte vergeben sind, ist das die zweite Phase der Expansion. Denn die neuen Läden sind meist deutlich größer als ihre Vorgänger", sagt Twardawa.

© SZ vom 6.9.04 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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