Digitale Kopie:Wissen, was morgen im Briefkasten steckt

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Irgendwo muss man mit dem Sparen anfangen: Verschickt die Poststelle des Rathauses künftig ausgehende Schreiben gesammelt in großen Umschlägen, dann ließen sich damit 600 Euro im Jahr sparen. (Foto: Monika Skolimowska/dpa)

Die Deutsche Post gewährt Rabatt, wenn Firmen Briefe digital einliefern. Der Konzern verschickt sie dann virtuell - und klassisch hinterher.

Von Benedikt Müller, Düsseldorf

Wer von Berufs wegen zwischen zwei Wohnsitzen wechselt oder privat für lange Zeit verreist ist, der mag sich zuweilen fragen: Wie viel Post hat sich während der eigenen Abwesenheit wohl im Briefkasten angesammelt? Solchen Weltenpendlern bietet die Deutsche Post an, jegliche Briefe an ihre Adresse abzufangen und zunächst einzuscannen. Die Schreiben kommen dann per E-Postbrief, einer besonders gesicherten Spielart der Mail, digital an und etwas später analog hinterher. Mit einem Sonderangebot hat der Konzern erst Anfang des Jahres auf diesen E-Postscan aufmerksam gemacht.

Nun wirbt die Post auch unter großen Unternehmen für die sogenannte digitale Kopie: Der Konzern gewährt etwa Versicherungen oder Telefonanbietern einen Nachlass auf das Porto, wenn sie ihre Schreiben an Kunden zunächst elektronisch und verschlüsselt an die Post senden. Die Großversender müssen dann drei Cent weniger pro Brief zahlen, was immerhin einigen Prozent Rabatt entspricht. Und die Post leitet die Schreiben digital an die Empfänger weiter - allerdings nur an Adressaten, die sich für das E-Post-System des Konzerns angemeldet haben. Die Post zählt bislang gut eine Million registrierter Kunden für ihr verschlüsseltes Kommunikationssystem.

Der Bonner Konzern betont, dass er die Briefe in jedem Fall analog hinterherschicke. Die digitalen Kopien bewahre man weder auf, noch speichere man sie. Die Post hat nach eigenem Bekunden schon einige Firmen für ihr Produkt gewonnen.

So nutzt der Mobilfunkanbieter Freenet die digitale Kopie seit Jahresbeginn. Allerdings fragt sich so manches Unternehmen, ob das Angebot mit dem Datenschutz und dem Postgeheimnis vereinbar ist. Letzteres steht immerhin im Grundgesetz. Schließlich landeten damit viele persönliche Daten - bis hin zu Kontoständen - in den Rechnern des früheren Staatskonzerns. Der Datenschutz sei nur bis zu jenem Punkt gewährleistet, an dem die digitale Kopie eingeliefert werde, sagte der Bonner Rechtsprofessor Christian Koenig der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. "Dahinter beginnt das Darknet der Post." Auf den ersten Blick sei jedenfalls nicht ersichtlich, wie der Konzern verhindere, dass Beschäftigte oder Dienstleister persönliche Daten einsehen, moniert Koenig in einem Gutachten im Auftrag des Bundesverbands Briefdienste - einem Zusammenschluss von Postkonkurrenten.

Die Frage ist, ob die digitale Kopie als Brief oder als E-Mail zu verstehen ist

Der Konzern weist die Bedenken zurück. "Bei der digitalen Kopie geht es ausschließlich um eine sichere, verlässliche digitale Kommunikation", sagt ein Sprecher. Diese unterliege dem Fernmeldegeheimnis. Man werde auch Werbetreibenden "keine Daten aus diesem Angebot zur Verfügung stellen".

Freilich prüft die Bundesnetzagentur derzeit, ob es sich bei der digitalen Kopie formal um einen Brief oder um eine elektronische Mail handelt. Auch hat die Aufsichtsbehörde Vorermittlungen aufgenommen, ob sich der Konzern mit dem zusätzlichen Rabatt einen unerlaubten Vorteil im Wettbewerb um die Großversender verschaffen könnte. Ein Wettbewerberverband habe eine entsprechende Beschwerde eingelegt, sagt ein Sprecher der Netzagentur, bislang habe die Behörde aber kein förmliches Verfahren eingeleitet.

Die Post betont, dass sie die Bundesnetzagentur und das Bundeskartellamt "frühzeitig" über ihr neues Angebot informiert habe. Beide Behörden hätten zunächst keine Bedenken geäußert. Man sei davon überzeugt, dass die digitale Kopie mit postrechtlichen Vorgaben im Einklang stehe.

Mit der Werbung für den E-Postscan und dem Rabatt für die digitale Kopie wolle die Post mögliche Kommunikationswege der Zukunft aufzeigen, sagt der Sprecher. Der Konzern hat sein E-Post-System bereits im Sommer 2010 eingeführt. Einige Geschäftskunden nutzen die verschlüsselten Mails seitdem zwar für eine sichere, elektronische Kommunikation. Ursprünglich sollte sich der E-Postbrief allerdings an die breite Masse richten. Viele Privatkunden werden das System wohl erst zu schätzen lernen, wenn auch wirklich relevante Schreiben in ihren digitalen Postfächern ankommen - dieses Kalkül steckt hinter dem Digitalisierungsrabatt für Großversender.

Schließlich kann die Post der langfristigen Entwicklung kaum entkommen, dass immer mehr private Kommunikation, aber auch mehr und mehr Geschäftspost in elektronische Kanäle abwandert. Etwa 12,7 Milliarden Briefe hat der Konzern zuletzt noch jährlich transportiert, rechnet die Bundesnetzagentur vor. Das ist gut eine Milliarde weniger als im Jahr 2014 - und es sind zwei Milliarden weniger als noch 2011.

© SZ vom 17.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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