Die Wiederentdeckung des Kontaktes:Brötchen beim Banker

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In Filialen von Banken und Sparkassen ziehen Bäcker, Internet-Cafés und Reisebüros ein. Die Geldhäuser wollen damit die lang vernächlässigte Laufkundschaft zurück gewinnen.

Judith Pfannenmüller

Wer in der Berliner Friedrichstraße bummeln geht, könnte aus Versehen mitten in der Deutschen Bank landen.

Geld und Brötchen unter einem Dach. (Foto: Foto: w&v)

Denn die Filiale, die dort im Quartier 110 im vergangenen Herbst eröffnet hat, sieht nicht aus wie ein herkömmliches Kreditinstitut.

Statt in Selbstbedienungs-Vorhallen mit dem Charme einer Bushaltestelle taucht der Passant in eine von sanftem Licht durchflutete Bank-Landschaft mit Lounge, Bibliothek, Galerie und Trendshop ein - die "Deutsche Bank der Zukunft".

Auf dem Weg zum Fond der Filiale kann der Kunde zum Beispiel Reisetaschen, Golf-Accessoires oder Kosmetika erstehen. Die aufmerksamen Mitarbeiter sind darauf geschult, die Leute anzusprechen. "Die Menschen sollen gerne in die Bank kommen", umreißt Sprecher Andreas Bartels die Grundidee.

Das Problem der Banken: Selbstbedienungsautomaten im abgeschotteten Eingangsbereich lassen immer weniger Kunden die Schwelle zum Beratungsraum überschreiten.

Neue Tuchfühlung zum Kunden

Und weil die Privatbanken in den vergangenen Jahren zudem viele Filialen geschlossen haben, erscheinen immer mehr Kunden die Direktbanken als angemessene Alternative. Und so hat auch die Deutsche Bank den Wert der Kontaktpflege mit dem Privatanleger wieder entdeckt.

Innerhalb eines Jahres will Reiner Neske, Chef des Geschäftsbereichs Privat- und Geschäftskunden bei der Deutschen Bank, in der Berliner "Zukunftsbank" 50 Prozent mehr Neukunden gewinnen - gemessen an einer Filiale vergleichbarer Größe.

Beratungsintensität und Kundenzufriedenheit sollen um 25 Prozent zunehmen. Wie weit das Geldhaus diesem Ziel nach einem knappen halben Jahr nähergekommen ist, mag Sprecher Bartels nicht sagen. Jedenfalls ist nicht geplant, das Shopkonzept eins zu eins auf andere Filialen in der Republik zu übertragen. Welche "Module" woanders passen könnten, wird noch geprüft.

Auch die öffentlich-rechtlichen Sparkassen experimentieren mit neuen Konzepten. Neukunden über Sparkassen-Mini-Schalter in Supermärkten gewinnen zu wollen, ist fehlgeschlagen. Nun hoffen manche Sparkassen mit Tchibo & Co. neue Kunden anzulocken.

Erst seit zwei Wochen integriert etwa eine Filiale der Berliner Sparkasse im Stadtteil Prenzlauer Berg Brötchen von Kamps sowie einen Tchibo-Shop in ihre Filiale - ein Pilotprojekt. Fast zeitgleich startete eine Sparkasse in Ludwigsburg als erste Filiale im Ländle mit ebendieser Idee. Ende vergangenen Jahres hat die Düsseldorfer Sparkasse eine ihrer Filialen mit Kamps bestückt.

"Ziel ist es, die Attraktivität der Standorte zu erhöhen", sagt Michael Thanheiser, Bereichsleiter Privatkunden bei der Berliner Sparkasse. Das könne je nach Standort und Bedürfnis der Kunden auch über ein Internet-Café oder über einen Buchshop geschehen.

Wichtig für Thanheiser: Die räumliche Trennung zwischen SB- und Innenbereich soll aufgelockert werden. Über Empfangstresen im SB-Bereich nehmen die Mitarbeiter erste Tuchfühlung zu den Kunden auf und können deren "Hemmschwellen, einen Banker anzusprechen, überwinden".

Ungewohnt offen

Natürlich will die Sparkasse auch davon profitieren, dass Kunden über Kamps und Tchibo angelockt werden. Die kommen aber möglicherweise, wenn die Sparkasse geschlossen hat: Sie öffnet an zwei Tagen um neun und schließt um 18 Uhr, an weiteren zwei Tagen um 15 Uhr und freitags bereits um 13 Uhr. Bis Mitte des Jahres will Thanheiser prüfen, wie die Filiale ihre Öffnungszeiten den Kundenströmen anpassen kann.

Die markenfremden Aktivitäten mancher Filialen sind im Sparkassen-Universum nicht unumstritten. Zwar prüft auch die Hamburger Sparkasse (Haspa) mögliche Partner. Aber: "Wir sind nicht die Speerspitze der Shop-in-Shop-Bewegung", sagt Sprecher Marcus-Andree Schöne. Es gebe im Haus "Stimmen, die das komplett ablehnen".

Beäugt werden die lokalen Einzelaktivitäten auch vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV), der die Markenführung der Sparkassengruppe verantwortet. Dort, wo Geschäftsstellen Partner vor allem aus Kostengründen ins Boot holen, sieht der Verband Gefahren für die Marke. "Die Filiale ist der zentrale Markenwert der Sparkasse", so DSGV-Werbeleiter Lothar Weissenberger.

Bei Markenkooperationen müsse man deswegen "im Einzelfall prüfen, ob ein positiver Image-Transfer zur Sparkasse besteht". Um den Filialen dafür Kriterien an die Hand zu geben, erarbeitet der Verband derzeit Guidelines für die Inszenierung der Geschäftsstellen als Markenerlebnis.

Als vorbildlich kann die Sparkasse im fränkischen Forchheim gelten. Die Filiale in der 30000-Einwohner-Stadt integriert seit einem Jahr nach und nach Internet-Café, TUI-Reisebüro, Computerzubehör von Maxdata sowie ein T-Mobile-Kunden-Center in ihre 2000 Quadratmeter Verkaufsfläche.

Café-Bar, Multifunktionsbühne sowie eine Lounge und ein Entspannungsbereich runden das Wohlfühlprogramm ab. Der Clou dabei: Die Selbstbedienungsautomaten wurden als verschiebbare Inseln im Zentrum der Sparkasse platziert, um die Kunden in die Filiale hineinzuholen. Ist der Kunde im Kontakt-Netz, stehen für vertiefte Beratungsgespräche diskrete Separees zur Verfügung.

"Es ging darum, Kunden und Nichtkunden wieder verstärkt in den Innenbereich der Sparkasse zu bringen", sagt Thomas Pötsch, Bereichsleiter Marketing und Kommunikation der Sparkasse Forchheim. "Das funktioniert."

Das Café wurde intern zwar heftig diskutiert, doch nun sei es "zum Herzstück" der Filiale geworden. Neben dem Catering der Beratungsgespräche sei das Café "zentraler Anlaufpunkt für Veranstaltungen der Sparkasse am Abend", sagt Pötsch.

Bei T-Mobile und TUI bekommen Sparkassen-Kunden Extra-Rabatte. Das Mobilfunk-Center ist das einzige in Forchheim und erspart den Menschen lange Wege in die nächstgrößere Stadt. Unter dem Claim "Mehrwert für Sie" rückt Pötsch diese Services nun in den Mittelpunkt einer Kommunikationskampagne.

Für 2007 haben die Forchheimer schon neue Pläne. In einem bisher nicht serviceverwöhnten Stadtteil Forchheims soll eine Filiale mit Stehcafé, Bäcker, Metzger und Lotto-Annahmestelle ausgerüstet werden - ein veritables "Nahversorgungszentrum", schwärmt Pötsch.

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