Die Wertheim-Erbin und der Karstadt-Konzern:"Meine Familie gewinnt"

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Die Nazis enteigneten ihre Familie, jetzt will Barbara Principe Wiedergutmachung. KarstadtQuelle hätte dies in der Hand - weigert sich aber.

Die Szene wirkt im Touristengewimmel in Berlin-Mitte ganz normal und hat doch etwas Bizarres. In der hellen Mittagssonne steht Barbara Principe aus New Jersey am Bahnhof Potsdamer Platz. Neben ihr befindet sich eine übermannsgroße Karstadt-Einkaufstüte, mit welcher der Essener Warenhauskonzern in der Hauptstadt für sein 125-jähriges Bestehen wirbt.

Heute steht auf dem ehemaligen Grundbesitz der Familie Wertheim in Berlin das supermoderne Beisheim-Center. (Foto: Foto: ddp)

Die Tüte und Principe stehen auf früherem Grundbesitz der von den Nazis enteigneten jüdischen Kaufmannsfamilie. Hinter der freundlich lächelnden Erbin ragt himmelhoch das Beisheim-Center auf. Und wenig später geht es an eben diesem historischen Schauplatz im Luxushotel Ritz-Carlton um die Forderung von 145 Millionen Euro Entschädigung für die Wertheim-Familie durch den KarstadtQuelle-Konzern.

"Meine Familie wird niemals ruhen"

Nun sind die Lippen eng, das Lächeln ist verschwunden, die Stimme klingt schneidend: "Meine Familie wird niemals ruhen, in meinem Herzen weiß ich, dass meine Familie gewinnt." Um ihre Entschlossenheit zu bekräftigen, habe sie extra aus Amerika zwei ihrer jüngsten Enkel mit nach Berlin gebracht.

Die beiden jungen Männer stehen auf und verbeugen sich vor den vielen Journalisten aus Berlin, aus halb Europa, aus Japan und den USA. Barbara Principe hat in dieser spektakulären Pressekonferenz weitere Unterstützer an ihrer Seite. Der Publizist Henryk M. Broder sagt, KarstadtQuelle zeige sich "selbstzerstörerisch kleinlich". Es handele sich in diesem Fall um eine "Verwertung von Kapital auf Kosten der Entrechteten".

"Karstadt muss das Trauerspiel beenden"

Der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum hat auch Platz genommen auf dem Podium und sagt: "Karstadt muss das Trauerspiel beenden. Das Unternehmen spielt auf Zeit, und das ist in Wiedergutmachungsfällen nicht moralisch." Es geht in einem der kompliziertesten Restitutionsverfahren in der deutschen Geschichte um viel Geld.

Die angeblich KarstadtQuelle drohenden Entschädigungsansprüche für den Grund und Boden und für das heute supermodern bebaute Lenné-Dreieck am Potsdamer Platz im Herzen des neuen Zentrums der Hauptstadt summiert der Wertheim-Anwalt Matthias Druba auf mehr als 600 Millionen Euro hoch. Aber an diesem Tag, an diesem besonderen Ort, geht es den Handelnden auf der Wertheim-Seite vor allem um Emotionen, um Moral, um Anstand, um Gewissen.

Der Direktor der Jewish Claims Conference zeigt sich "entsetzt"

"Dieser Prozess hängt eng mit unser aller Vergangenheit zusammen", sagt Baum. Der Direktor der Jewish Claims Conference (JCC), Roman Haller, äußert sich "regelrecht entsetzt" über die seit Jahren starr abweisenden Positionen des Warenhauskonzerns und wendet sich in dieser Form erstmals persönlich mit einem "Appell zur Besinnung" an den Vorstandsvorsitzenden der KarstadtQuelle AG, Thomas Middelhoff.

Barbara Principe zeigt sich ausdrücklich zu einem persönlichen Treffen mit Middelhoff bereit. "Das ist eine sehr gute Idee", sagt sie. Die Erklärungen von Konzernsprecher Jörg Howe, wonach das Unternehmen als Aktiengesellschaft gezwungen ist, den Rechtsweg letztinstanzlich zu beschreiten, will sie und wollen die anderen nicht mehr hören. Sie habe gehofft, bei ihrem vierten Berlin-Besuch "nur nach Deutschland zu kommen, um Urlaub zu machen".

Es ist anders gekommen, KarstadtQuelle hat kategorisch erklärt: "Wir streben eine präzise juristische Lösung an, um die strittigen Fragen ein für alle mal rechtsverbindlich zu klären." Auch Barbara Principe kämpft weiter. Es werden noch weitere Fotos von der Karstadt-Einkaufstüte am Bahnhof Potsdamer Platz gemacht.

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