Die umstrittenen Millionenprämien bei Mannesmann:Eine Buchhalterin blickt durch

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Nicht immer sind kleine Buchhalter mit den Beschlüssen ihrer Vorgesetzten einverstanden: Die Zeugin, die am Donnerstag vor Gericht aussagte, hatte von Beginn an ein ganz schlechtes Gefühl. Und ein externer Wirtschaftsprüfer gab ihr damals Recht.

Von Daniela Kuhr

Helga Anne Schoeller wirkt nicht wie jemand, der oft Widerworte gibt. Die 66-Jährige mit der mädchenhaften Frisur - Pony, braune halblange Haare - blickt sich unsicher um, als sie an diesem Donnerstag auf dem Zeugenstuhl im Saal 111 des Düsseldorfer Landgerichts Platz nimmt. Doch der Eindruck täuscht. Im Gegensatz zu manch gestandenem Manager hat Frau Schoeller klare Vorstellungen von dem, was richtig und was falsch ist. Und was da im Februar 2000 vom Präsidium des Aufsichtsrats bei Mannesmann beschlossen wurde, war falsch, sagt Schoeller am Donnerstag vor Gericht.

Die Zeugin spricht vom 4. Februar 2000, dem Tag, an dem das vierköpfige Aufsichtsratspräsidium von Mannesmann Prämien in Millionenhöhe für die Führungskräfte beschloss. Einen Tag zuvor hatte Mannesmann-Chef Klaus Esser den wochenlangen Abwehrkampf gegen die Übernahme durch den britischen Konkurrenten Vodafone für verloren erklärt und der Fusion zugestimmt.

Zuständig für Gehaltsabrechnungen

Schoeller arbeitete damals in der Direktionsabteilung von Mannesmann, sie war zuständig für die Gehaltsabrechnungen der Vorstandsmitglieder. In den 25 Jahren, in denen sie diese Tätigkeit ausgeübt hat, habe sie "sämtliche Beschlussprotokolle des Aufsichtsratspräsidiums selbst gefertigt", sagt sie mit leiser Stimme, "bis auf das vom 4. Februar". "Wissen Sie, warum Sie dieses nicht erstellt haben", fragt die Vorsitzende Richterin Brigitte Koppenhöfer.

"Nein", so die Antwort. "Ich weiß nur, dass ich es kurz darauf bekam, und da war es fertig." Es habe ihr auf Anhieb nicht gefallen, sagt Schoeller weiter. "Für mich war das kein Protokoll, wie ich es kannte." Zum einen habe es nur zwei Unterschriften gehabt - die des damaligen Aufsichtsratschefs Joachim Funk und des Präsidiumsmitglieds Josef Ackermann, heute Vorstandssprecher der Deutschen Bank. "Meines Erachtens hätte es vier Unterschriften gebraucht", sagt Schoeller, denn im Präsidium saßen noch der frühere IG-Metall-Chef Klaus Zwickel und der Konzernbetriebsratsvorsitzende Joachim Ladberg.

Selbstprämierung

Vor allem aber stieß sich die Zeugin daran, dass Funk einen Beschluss unterschrieben hatte, der ihn selbst begünstigte. Der Aufsichtsratschef hatte sich eine Anerkennungsprämie in Höhe von 6 Millionen DM genehmigt. Schoeller sprach daraufhin mit dem Wirtschaftsprüfer von KPMG, der sich gerade wegen der Prüfung des Jahresabschlusses 1999 im Haus befand. "Wir waren uns sofort im Klaren, dass Herr Funk sich nicht selbst Geld genehmigen kann und dass deshalb das ganze Protokoll unwirksam ist", sagt die 66-Jährige. Die Zahlungen wurden zunächst mal gestoppt.

Ob ihr bewusst ist, was für einen Schlag ins Gesicht ihre Aussage für Funk und Ackermann bedeuten muss? Sie, eine einfache Angestellte, erkannte die Rechtswidrigkeit eines Beschlusses, an dem die zwei Topmanager nichts bedenklich fanden. Wenn es ihr bewusst ist, dann lässt sie sich das nicht anmerken. Schoeller spricht langsam. "Ich muss mich mal kurz sammeln", sagt sie einmal, bevor sie eine Antwort gibt.

Auflösung als Geschäftserfolg?

Auch die Schreiben, mit denen die Zuwendungen den Begünstigten mitgeteilt wurden, gefielen ihr nicht. "Dort war vom Geschäftserfolg die Rede, aber ich hatte das Gefühl, dass es das Unternehmen nicht mehr lange gibt", sagt Schoeller. "46 Jahre war ich bei Mannesmann, mein Vater war dort und mein Großvater. Der Text des Schreibens hat mich etwas in Aufruhr gebracht", sagt sie und auf einmal klingt ihre Stimme fest.

Am Nachmittag sagt Julian Horn-Smith aus, der als rechte Hand von Vodafone-Chef Chris Gent nach der Übernahme Mannesmann leitete. Er bestätigt Angaben früherer Zeugen, wonach zu Beginn des Übernahmeangebots der Posten des stellvertretenden Vodafone-Chefs für Klaus Esser im Gespräch war.

© SZ vom 12.3.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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