Die stillen Stars der Börse:Die Küchenprofis

Lesezeit: 4 min

Das Landsberger Unternehmen Rational stellt Dampfgarer für Profiköche her. Die Geräte können über das Internet gesteuert werden. Zu den Kunden zählt auch das Weiße Haus in Washington.

Von Elisabeth Dostert, Landsberg

Produktion bei der Rational AG, die in Landsberg Groß- und Industrieküchengeräte herstellt. (Foto: imago)

In Buenos Aires läuft im Dampfgarer das Reinigungsprogramm. Die Tür ist geschlossen. Im Garraum hat es 47 Grad Celsius. Die Sauberkeit liegt bei 69 Prozent. Peter Stadelmann, Vorstandschef der Rational AG aus Landsberg am Lech, streicht über das Display seines Smartphones. Er sitzt in seinem Büro am Firmensitz. In Landsberg ist es früher Nachmittag, in Buenos Aires, wo das Gerät im Trainingszentrum des Konzerns steht, ist es Vormittag. Das Programm läuft noch 39 Minuten und 38 Sekunden. Über die App auf seinem Telefon kann Stadelmann jeden Schritt verfolgen. Er könnte auch nachschauen, ob im Trainingszentrum in Singapur potenziellen Kunden gerade gezeigt wird, wie man in einem der vernetzten Geräte Peking-Ente zubereitet.

Rational stellt Kombidämpfer für Profiküchen her. Die Geräte funktionieren im Grunde wie Dampfgarer, die es für private Haushalte gibt, sind aber sehr viel leistungsfähiger, weil sie oft viele Stunden am Tag laufen und in ihnen - je nach Größe des Geräts - ein paar Dutzend oder bis zu ein paar Tausend Mahlzeiten zubereitet werden. Die Speisen werden thermisch zubereitet, das heißt aus einer variablen Kombination von Dampf und heißer Luft. Für vorgegarte Pommes, zum Beispiel, muss es vor allem heiß sein, auch um ein Steak zu braten, ist kaum Feuchtigkeit nötig, um Brokkoli zu garen, sehr viel mehr. Die Geräte stehen in Restaurants, auch solchen mit Sternen, Kantinen, Krankenhäusern, Fußballstadien und Pflegeheimen, "überall, wo sehr viele Menschen gleichzeitig verköstigt werden müssen", sagt Stadelmann: "130 Millionen Speisen werden täglich in unseren Geräten zubereitet."

Auch im Weißen Haus in Washington steht ein Dampfgarer, erzählt Stadelmann. Es gebe ein Video, das den ehemaligen Präsidenten Barack Obama in der Küche zeige, im Hintergrund sei ein Kombidämpfer zu sehen. Stadelmann hat die Firmenpräsentation in Farbe ausgedruckt, es ist ein Dokument voller Rekorde. Ein Blatt zeigt die Entwicklung des Aktienkurses. Rational hat sich besser entwickelt als viele der üblichen Indizes. Derzeit liegt der Preis des Papieres bei knapp 650 Euro. Aber auf den Aktienkurs schaue er nur einmal am Tag, sagt Stadelmann. "Reklamationen haben für uns viel mehr Gewicht", sagt er. Aus den Klagen der Nutzer kann er lernen. Sein Ranking ist klar: zuerst kommt der Kunde, dann das Unternehmen, dann die Mitarbeiter und dann die Aktionäre.

Die Geräte, rechnet Stadelmann vor, sparen Arbeitszeit, Strom, Fett, Wasser und nehmen in der Küche weniger Platz ein als die Zahl konventioneller Geräte wie Herd, Kipper, Kessel und Backofen, die es bräuchte, um genauso viele Mahlzeiten herzustellen. Ein Kombidämpfer koste zwischen 5000 und 30 000 Euro, "die sind dann aber schon so groß wie ein Telefonhäuschen". Eine Million Kombidämpfer hat Rational seit 1976 produziert. Drei Jahre zuvor hatte Siegfried Meister die Firma gegründet. Ein Porträt des 2017 verstorbenen Gründers hängt im Foyer am Firmensitz in Landsberg. Seine Erben sind immer noch Großaktionäre des börsennotierten Konzerns. Rational ist die Geschichte eines typischen deutschen Mittelständlers, ein Hidden Champion, einer dieser heimlichen Weltmarktführer, von denen es in Deutschland besonders viele gibt.

Die teuersten Geräte sind so groß wie ein Telefonhäuschen

Das millionste Gerät, das vor Kurzem hergestellt wurde, ist gerade auf Welttournee. Es wird auf Messen gezeigt, ehe es in ein paar Wochen in der Küche des Hofbräuhauses in München eingebaut wird. Es gibt Wettbewerber, viele kleine, ein paar größere, wie der italienische Anbieter Unox, die US-Konzerne Alto-Shaam und Welbilt mit seiner Marke Convotherm oder der schwedische Konzern Electrolux, einer der wenigen Anbieter, die Kombidämpfer sowohl für gewerbliche als auch private Nutzer anbieten. "Aber Rational ist zum Begriff für die Kategorie geworden", sagt Stadelmann selbstbewusst.

2018 setzte der Konzern fast 800 Millionen Euro um. Der Service, also das Geschäft mit Ersatzteilen, Zubehör und Reinigern, macht ein Viertel der Erlöse aus, die Kombidämpfer fast 68 Prozent und die Vario-Cooker, die Rational 2005 auf den Markt brachte, rund sieben Prozent. Im neuen Gerät lassen sich auch flüssige Speisen zubereiten, Soßen und Suppen. "Mit den beiden Modellreihen können wir 90 Prozent aller Speisen zubereiten", sagt Stadelmann. Zugegeben, frittierte Pommes aus rohen Kartoffeln schmecken auch ihm besser als die vorgegarten und im Kombidämpfer gebräunten. Und Stadelmanns Lieblingsgericht, Brot mit Käse, wird kalt serviert, aber das Brot könnte man im Kombidämpfer backen. Stadelmann arbeitet seit Ende 2012 für Rational, zunächst als Personalchef, Anfang 2014 wurde er Vorstandschef. Zuvor war er gut zwei Jahrzehnte für die Schweizer Managementberatung Malik tätig, die letzten sechs Jahre vor dem Wechsel war er operativer Chef der Gruppe. Aber der Job bei Rational hat ihn gereizt. "Die machten alles genauso, wie wir es unseren Kunden manchmal vergeblich zu vermitteln versuchen". Für ein paar Minuten klingt er dann wirklich wie ein Berater. Er redet über maximalen Kundennutzen, UiU, also Mitarbeiter, die wie Unternehmer im Unternehmen agieren, und eine "engpasskonzentrierte Strategie", wie sie von Wolfgang Mewes Anfang der Siebzigerjahre entwickelt wurde. "Wir versuchen, das brennendste Problem unserer Kunden zu lösen", sagt Stadelmann.

Einmal gab es eine Anfrage, wie man Biber zubereitet

Einer der größten Engpässe der Kunden ist das Personal, zumindest in Westeuropa. "Kaum jemand mag in der Küche arbeiten, ein anstrengender Job, oft schlecht bezahlt", sagt Stadelmann. Köche sind rar, Küchenhilfen auch. "Mit unseren Geräten können auch Laien eine Restaurantküche betreiben", behauptet Stadelmann.

In den vergangenen Jahren hat Rational ein eigenes soziales Netzwerk entwickelt. Auf der eigenen Plattform gibt es kleine Videos, in denen Kompliziertes und Grundlegendes gezeigt wird, etwa wie Brokkoli geputzt, in Röschen geteilt und dann gegart wird. In der Rezeptbibliothek können die Nutzer nachlesen, wie ein Gericht zubereitet wird, gegrillte Rindermedaillons zum Beispiel. Stadelmann tippt wieder in sein Telefon. Oder die Nutzer rufen an. "Einmal hatten wir eine Anfrage, wie man Biber zubereitet", erzählt der Vorstandschef.

Manchmal ist Rational seinen Kunden voraus. Zwar sind neue Geräte schon seit einigen Jahren internetfähig. Per App ließe sich, so wie es Stadelmann zeigte, auf einem vernetzten Gerät ein Programm verfolgen oder gar starten, aber in den meisten Küchen gehe es eher altmodisch zu. "Köche sind keine early adopter, die eine neue Technologie schnell übernehmen."

Der Markt sei noch lange nicht ausgeschöpft. Rational macht seine eigenen Analysen. Weltweit gebe es etwa zehn Millionen gewerbliche Küchen. Davon hat Rational etwa vier Millionen als potenzielle Kunden für einen Combi-Dämpfer und zwei Millionen für ein Vario-Cooking-Center ausgemacht. Rational beschäftige weltweit rund 400 Köche, die als Vertriebler weitergebildet wurden, sagt Stadelmann. "Am ehesten lässt sich ein Koch von einem Koch überzeugen."

Kleinere Unternehmen werden am Aktienmarkt oft weniger beachtet. Die SZ stellt die stillen Stars der Börse in einer Serie vor.

© SZ vom 13.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: