Die größten Unternehmen:Der Wettlauf um Öl und Gas

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Die größten Verarbeiter dominieren seit Jahren das Geschäft - daran wird sich auch demnächst wenig ändern.

Gerd Zitzelsberger

Die Elefanten von vorgestern sind die Saurier von morgen: Man braucht keine Kristallkugel, um zu prognostizieren, wie die SZ-Rangliste der weltweit größten Unternehmen in zwölf Monaten aussehen wird. Auch im Jahr 26 nach der Geburtsstunde des PC und im zehnten Jahr nach Beginn der Internet-Revolution werden nicht Computer-, Telekom- und Internet-Konzerne die Spitze bilden.

Die Industrie investiert kräftig in neue Förderanlagen, oft gibt es Rückschläge. 2005 wurde die neue Pump-Plattform Thunder Horse im Golf von Mexiko vom Orkan Dennis schwer beschädigt. (Foto: Foto: AP)

Ganz oben werden sich vielmehr die multinationalen Öl- und Gaskonzerne noch dichter drängen als in diesem Jahr. Manche - wie Spitzenreiter Exxon -sind schon seit 100 Jahren groß. Ihre Macht wächst derzeit noch mehr als ihr Umsatz. Sie bestimmen mit ihren Entscheidungen über den Wohlstand ganzer Länder. Auch die deutschen Verbraucher sehen dies in ihrem Geldbeutel.

Fünf mal in der Spitzengruppe

Die Öl- und Gas-Branche stellt fünf der zehn umsatzstärksten Unternehmen der Welt. Das Quintett aus Exxon, Royal Dutch/Shell, BP, Chevron und Conoco-Phillips wird in der Tabelle des kommenden Jahres noch markanter zur Spitzengruppe gehören. Zurückerobern wird sich wohl zudem der französische Öl-Multi Total SA seinen Platz unter den zehn umsatzstärksten Unternehmen.

In Wirklichkeit rangiert noch ein weiteres Öl-Unternehmen unter den "Top Ten" - der saudische Staatsmonopolist Aramco. In den Hitlisten taucht der Konzern zwar nie auf, weil er keine Umsatz- oder gar Gewinn-Angaben macht. Nach Branchenschätzungen aber dürfte Aramco im ersten Halbjahr allein mit seinen Exporterlösen auf 100 Milliarden Dollar gekommen sein; der Konzern wäre damit - trotz doppelt so hoher Förderung - etwa halb so groß wie Exxon.

Staatliche hinter privaten Multis

Der Grund: Weit stärker als Aramco ist Exxon in der Verarbeitung und vor allem im Absatz tätig. Exxon verkauft an Fertigprodukten nicht viel weniger als Aramco fördert. Alle anderen staatlichen Ölgesellschaften, auch die aus den Opec-Staaten, rangieren deutlich hinter dem Quintett der fünf privaten Multis.

Einen Satz nach vorne macht in diesem Jahr abermals der chinesische Konzern Sinopec, der gegenwärtig auf Platz 16 steht. Im ersten Quartal jedenfalls erzielte er einen Umsatzanstieg von 32 Prozent.

Ebenfalls einen Sprung in Richtung Weltspitze wird der russische Gas-Monopolist Gazprom machen, der ein Viertel des europäischen Gasbedarfs deckt. Die höheren Preise und Unternehmenszukäufe dürften dazu führen, dass Gazprom, dessen Kapitalmehrheit der Kreml hält, mit dem Umsatz des Jahres 2006 unter den 30 größten Konzernen rangieren wird.

Nach der Börsenbewertung gehört Gazprom auf Grund seiner hohen Energievorräte unter der Erde schon jetzt zu den zehn wertvollsten Unternehmen der Welt. Noch ist das russische Unternehmen kein "Multi", doch das dürfte sich bald ändern.

(Foto: Quelle: SZ)

Manche der führenden Rohstoff-Konzerne holen derzeit zwar weniger Öl und Gas aus dem Boden als noch vor Jahresfrist, aber Spitzenplätze sind ihnen dennoch gewiss: Die hohen Preise machen alles wett. BP etwa, nach der Förderung gerechnet die Nummer zwei der Branche, hat für sein Rohöl im ersten Halbjahr 2006 mit 59 Dollar pro Barrel (159 Liter) 35 Prozent mehr erlöst als zwölf Monate zuvor.

Selbst wenn die Preise in den nächsten Monaten etwas nachgeben sollten, wird das Quintett 2006 nach allen Prognosen weit höhere Öl-Umsätze machen als im vergangenen Jahr. Für 2007 rechnen zwar die meisten Fachleute mit etwas niedrigeren Öl-Notierungen, aber die Preise werden noch immer deutlich über dem Niveau des Jahres 2005 liegen.

Engpass in der Öl-Verarbeitung

Überdies ändert sich der Ölmarkt: Schon jetzt bleibt etwa Saudi-Arabien auf einem Teil seines (schlechteren) Öls sitzen. Der Engpass ist nicht mehr in erster Linie die Rohöl-Förderung, sondern die Verarbeitung. In diesem Bereich sind die Margen im ersten Halbjahr 2006 ähnlich stark gestiegen wie die Notierungen beim Rohöl.

Dies hat dazu beigetragen, dass beim Branchenvierten Chevron der Umsatz im ersten Halbjahr um gut 20 Prozent nach oben geschnellt ist. Nach Einschätzung von Gordon Gray, Branchenanalyst bei der Investmentbank JP Morgan, werden die Verarbeitungs-Margen vorerst hoch bleiben.

Auch die großen Öl-Gesellschaften glauben offensichtlich, dass die Rohöl-Preise wieder leicht sinken werden. Sie konkurrieren deshalb keineswegs um das letzte Barrel Öl in der Erde: Einfach ein Loch in die Erde bohren, können auch andere Unternehmen. Sie konzentrieren sich vielmehr etwa auf die Förderung von Öl, das tief unter der Meeresoberfläche liegt. Diese Projekte erfordern eine solche Finanzkraft und solches Know-how, dass ihnen kleinere Wettbewerber nicht das Wasser reichen können.

Wirtschaftliche Macht

BP etwa hat zuletzt sogar kleinere Öl-Felder verkauft. Und bei den beiden größten Investitionsvorhaben des Konzerns geht es nicht um Exploration und Förderung, sondern um den Neubau einer Raffinerie in Singapur und den Bau einer hochkomplexen Verarbeitungsanlage in Katar, die Erdgas in synthetischen Dieselkraftstoff und andere Produkte umwandelt.

Projekte dieser Art, so hoffen die Konzerne, lassen die Gewinne auch noch sprudeln, wenn der Öl-Preis eines Tages tiefer steht. Diese Gewinne werden sich 2006 noch weit stärker erhöhen als die Umsätze. Bereits im ersten Halbjahr haben die fünf größten Öl-Multis beinahe 60 Milliarden Dollar verdient - nach Steuern. Es ist eine gewaltig wirtschaftliche Macht, die sich bei einigen wenigen Super-Konzernen konzentriert.

© SZ vom 2.8.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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