Die Fünf Weisen:Club der Oberlehrer

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Die fünf Weisen streiten sich wie nie. Wolfgang Clement will zu der Sache lieber nichts sagen. Aber es ist offensichtlich, wie sehr sie ihn ärgert.

Von Ulrich Schäfer

In seiner Pressemappe konnte der Wirtschaftsminister am Montag lesen, was für ihn nicht in die Öffentlichkeit gehört: ein Streit unter fünf hochmögenden Ökonomen; ein öffentlicher Disput unter Regierungsberatern, die eigentlich im Stillen wirken sollen; ein persönlicher Schlagabtausch, wie ihn sich Deutschlands führende Wirtschaftswissenschaftler noch nicht geliefert haben.

Es streiten die fünf Weisen, wie die Mitglieder des "Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung" genannt werden.

Der oberste von ihnen, Wolfgang Wiegard, hat zum Jahreswechsel etwas getan, was andere Ratsmitglieder für gar nicht weise halten: Er hat in einem Interview über die interne Arbeit des Rats geplaudert, über jene beschwerlichen Wochen im Herbst, in denen sich vier Männer und eine Frau in Wiesbaden einschließen und ein bis zu 1000 Seiten dickes Gutachten erstellen.

Er ist auch über einen Kollegen hergezogen, den Währungsexperten Peter Bofinger. Dieser habe sich zu Dingen geäußert, "wovon er erwiesenermaßen überhaupt nichts versteht".

Bofinger sei "unkooperativ und teamunfähig", assistierte Wolfgang Franz, ein anderes Ratsmitglied. Der Gescholtene keilte zurück: "Herr Wiegard hätte über Weihnachten ein paar Tage Urlaub machen sollen. Dann wäre er jetzt entspannter".

Mainstream- gegen Mindermeinung

In dem Streit geht es vordergründig um die Wissenschaft, in der Bofinger eine Minderheitsmeinung vertritt, Wiegard dagegen den deutschen Mainstream. Bofinger will durch staatliche Konjunkturprogramme die Wirtschaft ankurbeln, mit Schulden und niedrigeren Zinsen. Wiegard hält dies für falsch, er glaubt an die Macht des Marktes.

Der Makroökonom Bofinger will mit Hilfe der Politik die großen Räder drehen; der Mikroökonom Wiegard glaubt, dass die Räder von selbst laufen. "Da stoßen neuerdings Denkansätze aufeinander, die in fast allen Bereichen unvereinbar sind", erklärt Wiegard.

Solche Unterschiede im Denken hat es auch schon früher im Rat gegeben, in den achtziger Jahren etwa. Die wahren Gründe für den Zwist sind deshalb wohl eher im Persönlichen zu suchen, in verletzten Eitelkeiten, und viele Ökonomen sind nun mal eitel.

Bofinger, der erst seit Anfang letzten Jahres dem Rat angehört, gilt als eloquent und telegen; in Zeitungsarchiven findet man seinen Namen doppelt so oft wie den von Wiegard, der bisweilen als Oberlehrer-Typ bezeichnet wird. Wiegard und Bofinger haben im vorigen Jahr viel geschrieben: der eine das eher dröge Gutachten, der andere ein populäres Wirtschaftsbuch.

Wiegard will nicht nochmal kandidieren

Bofinger habe zum Werk der Weisen vielleicht ein Prozent beigetragen, berichtet ein Ratsmitglied.

Ende dieses Monats werden sich die Sachverständigen wieder treffen, um über das nächste Gutachten zu reden. Noch weiß niemand, ob dies gut geht. Im März müssen sie dann einen neuen Chef wählen. Wiegard hat gekündigt, er wolle nicht noch einmal kandidieren.

Vielleicht hat er auch gemerkt, dass er in der Runde keine Mehrheit mehr hat und drei Ratsmitglieder sich den Vielzweck-Berater Bert Rürup als neuen Vorsitzenden wünschen. Der aber schweigt zu dem Streit. Rürup ist erst am Sonntag aus dem thailändischen Phuket zurückgekehrt.

© SZ vom 4.1.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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