Die Angreifer:Auf Zinsjagd

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Nutzt die großen Unterschiede im europäischen Markt für Spareinlagen aus: Weltsparen-Gründer Tamaz Georgadze. (Foto: PR)

Im Ausland erhalten Sparer häufig deutlich bessere Konditionen für Zinskonten. Weltsparen aus Berlin bündelt Festgeldangebote europäischer Banken.

Von Laura Hertreiter und Robert Gast, Berlin

Wer zu Weltsparen will, muss durch den Notausgang. Das Treppenhaus riecht noch nach Farbe, unten lärmt eine Kita, von oben ertönt Klaviermusik. Das Berliner Start-up, das Geldanlagen internationalisieren will, ist gerade erst in den Bezirk Prenzlauer Berg gezogen, die alten Räume wurden zu klein. Mittlerweile arbeitet der Gründer der Firma, Tamaz Georgadze, mit 40 Kollegen. Er sitzt am Ende des riesigen Großraumbüros, das vor Kurzem noch ein Fitnessstudio war.

Der gebürtige Georgier, braune Haare, blaues Hemd, Sneaker, hat mit zwölf Jahren Abitur gemacht, mit 15 hatte er den Abschluss in Wirtschaftswissenschaften, mit 19 seinen ersten Doktortitel, den zweiten machte er in Deutschland an der Universität Gießen mit 24. Jetzt macht Georgadze mit einer Idee Karriere, die so simpel ist, dass er erstaunt ist, warum sie niemand vor ihm hatte.

Der Markt für Spareinlagen ist - trotz Währungsunion, trotz einheitlicher Leitzinsen der Europäischen Zentralbank (EZB) - nicht homogen, die Zinsen nicht überall gleich. Weil Kunden in anderen EU-Ländern Geld oft zu höheren Zinsen als in Deutschland anlegen können, vermittelt Weltsparen Anlagen, die mehr Zinsen versprechen als der Euro-Durchschnitt. Zehn Banken hat das Start-up mittlerweile im Angebot, unter anderem in Bulgarien, Portugal, Tschechien, Polen, Irland und Italien. Wer dort Geld anlegen will, muss nach dem Weltsparen-Prinzip nicht mehr zur Kontoeröffnung ins Ausland reisen. Georgadzes Team kümmert sich um alle Formalitäten - einen Sparbetrag von mindestens 10 000 Euro vorausgesetzt.

Die Website des Start-ups ist so einfach wie das Konzept: Der Nutzer stellt die Laufzeit und die Summe ein, die er anlegen will und bekommt direkt den besten Zinssatz bei einer Auslandsbank angezeigt. Aktuell bietet die bulgarische Fibank das beste Angebot, sie verspricht bis zu drei Prozent Zinsen. Wer ein Konto eröffnen möchte, lässt sich bei der Deutschen Post identifizieren. Die Kontoführung läuft dann über die deutsche MHB Bank, die alle Festgeldgeschäfte mit den ausländischen Instituten abwickelt. Weltsparen erhält pro Anlagevermittlung eine Provision von den Banken.

Die Idee hatten Georgadze und seine Mitgründer Michael Stephan und Frank Freund im Jahr 2006 bei der Unternehmensberatung McKinsey, wo sie osteuropäische Banken berieten. Sie stellten fest, dass die Zinsen dort mitunter höher waren als bei vielen Banken in Zentraleuropa, wo die Euro-Krise die Zinsen drückte.

Aber ist das Geld dort genauso sicher? Bei der Insolvenz einer europäischen Bank bekommen Sparer Beträge bis zu 100 000 Euro erstattet, das sieht die EU-Richtlinie zur Einlagensicherung vor. Auch deshalb konzentriert sich Weltsparen auf Angebote in Europa. Einstige Pläne, mit Banken außerhalb Europas zu kooperieren, hat das Start-up verworfen. Der bürokratische Aufwand wäre zu hoch gewesen.

Verbraucherschützer warnen allerdings davor, in Ländern wie Bulgarien anzulegen. Die Einlagensicherungstöpfe seien dort vermutlich nicht gut gefüllt. Reicht das Geld im nationalen Einlagensicherungsfonds nicht, um alle Kunden einer Bank zu entschädigen, dann ist bisher nicht eindeutig geklärt, wer mit einer Finanzspritze einspringt. Verbraucherschützer befürchten, dass ein Staat versucht sein könnte, nur Anleger aus dem eigenen Land mit Steuergeld zu entschädigen.

Riskieren Sparer bei Weltsparen also mehr als bei einer deutschen Sparkasse? Georgadze verneint das. Natürlich gebe es "Szenarien mit unsicherem Ausgang", ein starkes Ausbreiten der Euro-Krise zum Beispiel. Aber davon seien Banken in Westeuropa vermutlich stärker betroffen. "In keinem Land der Welt könnten Einlagensicherungsmechanismen größere Pleiten auffangen", sagt er. In Polen, Tschechien und Bulgarien sei sogar mehr Geld hinterlegt als in Deutschland. Soll heißen: Bei kleineren Bankenpleiten reichen die Töpfe, bei größeren Krisen haben Sparer europaweit ein Problem.

Aber selbst wenn es hart auf hart komme, würden Kunden nicht sofort zur Bank laufen und ihr Erspartes abheben, sagt Georgadze. Schließlich versicherten Politiker immer wieder, dass systemrelevante Banken im Zweifelsfall gestützt würden. Das habe man gesehen, als der portugiesischen Banco Espírito Santo 2014 die Pleite drohte - sie war einer der Partner von Weltsparen. Das sei zwar "nicht schön" gewesen, sagt Georgadze. Letztlich sei es dort nicht zum "Einlagensicherungsfall" gekommen, der Staat schritt ein.

Inzwischen sind die Berliner nicht mehr allein. Savedo und Zinspilot heißen zwei Nachahmer. Deren Angebot ist noch überschaubar. "Wir glauben, dass wir das stärkste Angebot haben", sagt Georgadze. Schwarze Zahlen schreibe sein Unternehmen noch nicht, ab 100 000 Kunden könne man vermutlich profitabel sein. Aktuell sind es ungefähr 20 000. Dennoch hat Georgadze eine Vision: "Ein Amazon für Sparprodukte."

Die Digitalisierung hat die Finanzbranche voll erfasst, immer mehr Start-up-Unternehmen fordern die Banken heraus. In dieser Serie stellt die SZ die Angreifer vor.

© SZ vom 11.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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