Didi:Wenn Mitfahren gefährlich wird

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Didi ist der erfolgreichste Fahrvermittler Chinas, hier Autos mit dem Schriftzug des Dienstes in der Provinz Dalian. (Foto: imago)

Nach einem Mord stellt der chinesische Uber-Konkurrent Didi den Mitfahr-Dienst ein, das Land diskutiert über Sicherheit.

Von Christoph Giesen, Peking

Es war mutmaßlich Mord: Eine Frau ist vergewaltigt und dann getötet worden am vergangenen Freitagnachmittag in der ostchinesischen Millionenstadt Wenzhou. Ein 27-jähriger Mann hat die Tat gestanden. Im Fokus der Debatte steht allerdings der Fahrdienstvermittler Didi Chuxing. Denn: Der Tatverdächtige war ein Didi-Fahrer und sein Opfer seine Kundin. Über das Smartphone hatte sie eine Mitfahrgelegenheit gebucht, wie so viele Millionen Chinesen jeden Tag.

Didi ist der mit Abstand erfolgreichste Fahrdienstvermittler Chinas. Anderthalbjahre lieferte sich das Unternehmen eine Rabattschlacht mit dem amerikanischen Konkurrenten Uber. "Wenn du Verkehrsdienstleistungen so zuverlässig machen willst wie Leitungswasser, kann man ein Fünftel der Weltbevölkerung nicht ignorieren", gab Uber-Gründer Travis Kalanick zu Protokoll. Um die Vorherrschaft in China, darum ging es. Im August 2016 gab Uber entnervt auf. Mehr als eine Milliarde Dollar hatte das Unternehmen aus Kalifornien in China verbrannt. Auf seiner Facebook-Seite teilte Kalanick damals mit, dass Uber sein China-Geschäft mit Didi zusammenlege. Das chinesische Unternehmen kaufte alle Daten, Dienste und Vermögenswerte von Uber in China. Im Gegenzug beteiligte sich Ubers chinesische Tochter und deren Investoren mit 20 Prozent an Didi.

Didi hatte gewonnen. Auf ganzer Linie. Und jetzt? Debattiert das halbe Land über Sicherheit. Kann man überhaupt noch mit Didi fahren? Das Unternehmen steht vor einer ernsthaften Krise.

Die getötete Passagierin ist das zweite Opfer innerhalb weniger Monate. Bereits im Mai war eine Frau von ihrem Fahrer ermordet worden, damals im zentralchinesischen Zhengzhou. Verpflichtende Gesichtserkennung für alle Fahrer führte Didi danach ein. Außerdem können Fahrgäste seitdem ihre Routen mit Freunden digital teilen, die dann die Koordinaten zugeschickt bekommen. Geholfen hat es nicht. Stattdessen muss Didi nun zugeben, dass es zuvor bereits eine Beschwerde über den Fahrer in Wenzhou gegeben hatte. Demnach hatte der Mann eine andere Passagierin in eine abgelegene Gegend gefahren und sie nach dem Aussteigen mit seinem Auto verfolgt.

Die Kritik aus der Politik ist dementsprechend scharf: Das Verkehrsministerium in Peking kündigte an, die Regierung werde nicht zusehen, wenn ein Unternehmen das Leben der Fahrgäste nicht schütze.

Verschiedene Behörden würden an der Überwachung des Sektors arbeiten, teilte die Reformkommission NDRC mit. Geplant sei, eine neue landesweite Datenbank für die gut 80 Fahrdienstvermittler in China einzuführen. Die Branche soll künftig schärfer überwacht werden, auch die Geschäftsmodelle dürften dann auf den Prüfstand kommen.

Im Gegensatz zum klassischen Didi, bei dem professionelle Fahrer hinter dem Lenkrad sitzen und jeden Tag Dutzende Fahrten annehmen, nutzten die beiden getöteten Frauen einen Dienst, der Didi Hitch heißt und der sich vor allem an Hobbypiloten richtet: Mal eben eine Fahrt nebenher, weil man ohnehin im Auto sitzt, das ist das Konzept. Am Gesamtumsatz von Didi machte Hitch zuletzt etwa acht Prozent aus.

Die Preise sind günstiger, das reizt die Kunden und vor allem für die Fahrer haben sich die Programmierer ein zweites Feature einfallen lassen. Sowohl der Kunde als auch der Fahrer können sich gegenseitig bewerten. Eine Art Dating-App auf vier Rädern. Viele junge Männer nehmen fast ausschließlich Fahrten von zumeist jungen Frauen an. Als "Göttin" oder "Schönheit", bewertete so mancher Fahrer seine Kundinnen. Im Internet kursieren seit Tagen sexistische Chatverläufe und heimlich geschossene Fotos, in denen sich Hitch-Fahrer über ihre Passagiere austauschen

Damit ist nun erst einmal Schluss. Am Montag teilte Didi mit, dass das Unternehmen Hitch vorübergehend einstellt. Der Vorfall zeige "Mängel im Kundendienst", erklärte Didi. Auch der Chef von Hitch und der Vizechef des Kundendienstes sind gefeuert worden.

© SZ vom 28.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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