Diamantensuche in Afrika:Vergebliche Suche im Schlamm

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Der illegale Handel mit "Blutdiamanten" aus Westafrika ist zurückgegangen, doch Hunderttausende graben für Hungerlöhne weiter nach Edelsteinen - und bleiben arm.

Judith Raupp

Salomon Magai steht bis zu den Knien im Matsch. Der Schweiß klebt das grüne T-Shirt und die ausgefransten Jeans wie eine zweite Haut auf seinen Körper. Mit seinen muskulösen Armen greift Magai nach dem Sieb, wirft Schlamm hinein und wühlt mit den bloßen Händen darin. Im Gitter bleiben nur Kieselsteine liegen. Wieder kein Diamant!

Den letzten hat der junge Mann vor einem Jahr gefunden. Ein paar tausend Leone hat ihm sein Chef dafür gegeben, umgerechnet etwa fünfzehn Euro. Magai vermutet, dass der Stein sehr viel mehr wert war. Beschwert hat er sich aber nicht. ,,Was soll ich machen? Ich habe nie gelernt, einen Diamanten zu schätzen'', sagt er.

Seit zehn Jahren gräbt Magai in der Nähe von Koidu, im Osten von Sierra Leone, nach Diamanten. Lohn bekommt er nur, wenn er einen Edelstein findet. Ansonsten speist ihn sein Chef mit einer Schüssel Reis am Morgen und am Abend ab.

Mancher hat einen strengeren Herrn

Dabei bräuchte der 25 Jahre alte Familienvater fünf Euro am Tag, um seine Frau und die beiden Kinder mit dem Nötigsten zu versorgen. Manchmal, wenn er wegen der Hitze wieder einmal Kopfweh hat, steckt ihm sein Chef eine Tablette zu. Dafür ist Magai dankbar. Manch einer der 200.000 Diamantengräber in Sierra Leone hat einen strengeren Herren.

Im Bürgerkrieg in den neunziger Jahren hat Magai auf eigene Rechnung gearbeitet. Es herrschte Anarchie, und niemanden kümmerte es, wer mit wem Geschäfte machte. Damals hat Magai vier Mal so viel verdient wie heute.

Zu seinen besten Kunden zählten die Rebellen der Revolutionary United Front. Sie haben die Diamanten mit Hilfe von Charles Taylor, dem Diktator im Nachbarland Liberia, in den Westen exportiert und mit dem Erlös Waffen finanziert. Magai wusste, dass die Rebellen auch seine Freunde und Verwandte massakrierten. Trotzdem grub er weiter: ,,Ich musste doch überleben'', sagt er.

Weltweite Kampagnen fruchteten

Nichtregierungsorganisationen fuhren weltweit Kampagnen gegen diese ,,Blutdiamanten'', bis die Industrie um ihren Ruf fürchten musste. Ende 2002 einigten sich die Minenkonzerne mit den Diamantenstaaten darauf, die Herkunft jedes Edelsteins mit einem Zertifikat nachzuweisen und nur noch Steine aus konfliktfreien Regionen zu handeln. Das Abkommen, nach dem südafrikanischen Tagungsort Kimberley benannt, haben mittlerweile 46 Staaten unterzeichnet.

,,Der Vertrag ist ein Segen. Es gibt jetzt keinen Schmuggel mehr in Sierra Leone'', schwärmt Mohamed Fawaz. Der 39 Jahre alte Libanese betreibt zur Tarnung vor möglichen Einbrechern in Freetown, der Hauptstadt von Sierra Leone, ein Elektrogeschäft. In Wirklichkeit handelt er im Hinterzimmer Diamanten. ,,Ich nehme nur zertifizierte Steine an'', behauptet er.

Über die Arbeitsbedingungen in den Minen weiß Fawaz angeblich nichts: ,,Das ist eine Sache zwischen dem Mineninhaber und seinen Angestellten. Damit habe ich nichts zu tun.''

Viele Kriege sind beendet

Um menschenwürdige Arbeitsbedingungen geht es beim Kimberley-Zertifikat sowieso nicht in erster Linie. Es genügt den Minenbetreibern, den Ruf der Blutdiamanten loszuwerden. Das reicht für ein gutes Image. Der illegale Handel mit den Glitzersteinchen aus Konfliktgebieten ist im Vergleich zu früher tatsächlich zurückgegangen. Allerdings vor allem deshalb, weil viele Kriege in Afrika beendet sind.

So rosig, wie es der Händler Fawaz sieht, ist die Lage aber nicht. Kimberley-Zertifikate lassen sich fälschen, und Diamanten werden noch immer geschmuggelt. Offiziell exportiert Sierra Leone pro Jahr Edelsteine im Wert von 100 Millionen Euro. Tatsächlich würden aber Diamanten im Wert von 160 bis 300 Millionen Euro gefunden, vermutet die Entwicklungshilfegesellschaft United States Agency for International Development in Washington.

Wer würde es einem armen Schlucker wie Magai schon verdenken, wenn er heimlich ein Steinchen in der Hosentasche verschwinden ließe und es privat verhökern möchte?

106 Wächter

Dabei dürfte er sich nicht von Jonathan Sharka erwischen lassen. Er arbeitet für das Minenministerium in Koidu und ist Chef von 106 Wächtern. Sie sollen täglich zu den Minen fahren und die Arbeiter kontrollieren. Nur 16 von Sharkas Mitarbeitern haben aber Motorräder. Die anderen müssen laufen.

Der Oberaufseher gibt zu, dass er viel mehr Leute und bessere Ausrüstung bräuchte, um die 1000 Minen zu beaufsichtigen. Viele liegen abgelegen im Busch, und in der Regenzeit von Mai bis September sind die Pisten zu den Förderstellen oft unpassierbar.

Die Regierung von Sierra Leone behauptet zwar, Schmuggel würde sich nicht lohnen, weil die Exporteure beim legalen Handel nur eine Steuer von drei Prozent bezahlen. Victor Angelo, Leiter des UN-Entwicklungsprogramms für Sierra Leone sieht das aber anders: ,,Drei Prozent von 10.000 Euro sind für viele Menschen hier ziemlich viel Geld.''

Da hat der Mann wohl recht. Sierra Leone ist nach Niger das zweitärmste Land der Welt. Die Diamanten machen in erster Linie Händler wie Fawaz und ausländische Unternehmen reich, die die Lizenzen für den Abbau billig erworben haben.

Bestechungsgeld

Auch einige Staatsangestellte leben ganz gut vom Bestechungsgeld mancher Firmen. Sie drücken dann schon mal ein Auge zu, wenn die Bosse die Bevölkerung aus ihren Häusern vertreiben, weil sie just dort nach Diamanten graben wollen, wo diese Menschen wohnen.

Dass nur ein paar wenige von den Diamanten profitieren, ist nicht einmal die größte Tragödie für Sierra Leone. Viel schlimmer ist, dass die Regierung und die Bevölkerung über die Edelsteine alles andere vergessen. ,,Sierra Leone hätte genug Wasser und fruchtbaren Boden, um sich selbst zu versorgen und landwirtschaftliche Produkte exportieren zu können'', erzählt Angelo.

Aber weil sich niemand darum kümmert, sind nur acht Prozent der Fläche landwirtschaftlich genutzt. So bleibt Sierra Leone mit seinen fünf Millionen Einwohnern am Tropf der Entwicklungshilfe. Ein Viertel des Bruttoinlandsprodukts von einer Milliarde Euro steuert das Geld der internationalen Geber bei.

Knechtschaft

Salomon Magai ärgert sich über die Abhängigkeit seines Landes und über seine eigene Knechtschaft. Hätte er nicht seinen Vater im Krieg verloren, wäre alles anders gekommen. Er hätte ihm die Schule bezahlt. Vielleicht hätte er dann seinen kleinen Garten zu einem landwirtschaftlichen Betrieb ausgebaut.

Das könnte er natürlich auch jetzt versuchen. Der Ertrag wäre wohl kaum geringer als das Almosen, das er für die Schufterei in der Mine bekommt. Aber der Traum vom großen Geld treibt ihn weiter: ,,Ich muss doch nur einmal einen schönen Diamanten finden.'' Auf dieses Glück hofft Magai. Irgendwann.

© SZ vom 19.05.07 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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