DGB-Vizevorsitz:Engelen-Kefer unterliegt bei Kampfkandidatur

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Bei der ersten Kampfabstimmung über den DGB-Vizevorsitz seit 1952 hat Ursula Engelen-Kefer den Kürzeren gezogen. Sie unterlag gegen die von der DGB-Spitze vorgeschlagene Kandidatin Ingrid Sehrbrock mit 161 gegen 212 Stimmen.

Engelen-Kefer muss das Amt der DGB-Vizevorsitzenden damit nach 16 Jahren abgeben.

Ursula Engelen-Kefer gratuliert ihrer Nachfolgerin Ingrid Sehrbrock zur Wahl der stellvertretenden DGB-Vorsitzenden. (Foto: Foto: AP)

Die 62-Jährige scheiterte am Dienstag auf dem DGB-Bundeskongress in Berlin mit ihrer erneuten Bewerbung um den Vizevorsitz des Dachverbandes. In der kurzfristig anberaumten Kampfabstimmung unterlag das SPD-Mitglied Engelen-Kefer der Bildungsexpertin Ingrid Sehrbrock (CDU), die von den Vorsitzenden der acht DGB-Einzelgewerkschaften nominiert worden war.

Für Engelen-Kefer stimmten 161 Delegierte, für Sehrbrock 212. Damit votierten 56,8 Prozent der Delegierten für Sehrbrock, während Engelen-Kefer auf 43 Prozent der Stimmen kam.

Engelen-Kefer hofft weiterhin auf Durchsetzungskraft

Sie hoffe, dass die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik im DGB weiter durchsetzungsstark vertreten werde, sagte Engelen-Kefer nach der Wahl.

Viele Delegierte äußerten sich nach der Wahl enttäuscht über das Ausscheiden Engelen-Kefers aus dem DGB-Bundesvorstand. Vor allem an der Gewerkschaftsbasis hatte die ausgewiesene Arbeitsmarkt- und Sozialpolitikerin viele Verbündete.

"Moderne Interpretation der Einheitsgewerkschaft"

Die 57-jährige Sehrbrock war bisher im Bundesvorstand für Beamten-, Jugend- und Bildungspolitik zuständig. Ihre Nominierung das hohe DGB-Amt würdigte sie als "moderne Interpretation von Einheitsgewerkschaft". Sie habe ihre Position auch immer "als Brücke zu meiner Partei verstanden". Ihre Wahl wurde als Signal an die große Koalition im Bund gewertet.

Die letzte Kampfabstimmung über den DGB-Vizevorsitz hatte es vor 54 Jahren gegeben. Engelen-Kefer war am Morgen überraschend zur Kandidatur vorgeschlagen worden.

Angesichts der Nominierung Engelen-Kefers war der DGB-Kongress unterbrochen worden, da zunächst neue Stimmzettel gedruckt werden mussten. Für den Wahlgang wurden abweichend vom üblichen Verfahren Wahlkabinen aufgestellt, um eine geheime Wahl zu gewährleisten.

Schwerer Moment

"Das ist einer der schwersten Momente in meinem Leben", hatte Engelen-Kefer vor der Wahl gesagt. Vorhaltungen, sie sei zu alt für eine neue Amtszeit, begegnete sie mit den Worten: "Ich fühle mich noch ganz gut und fit und für die Arbeit auch durchaus fähig."

Zwar habe sie zunächst an einen Rückzug gedacht, nachdem sie nicht nominiert worden war. Sie habe dann aber erlebt, "dass ich eine Unterstützung hatte, die war unglaublich".

Deshalb "bin ich den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen verpflichtet und deshalb stelle ich mich der Wahl."

"Wir haben keine Erbhöfe"

Der Vorsitzende der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG), Franz-Josef Möllenberg, hatte zuvor noch einmal für den Wahlvorschlag der Vorsitzenden der acht DGB-Einzelgewerkschaften geworben und die geplante Ablösung Engelen-Kefers mit deren Alter von fast 63 Jahren begründet. "Wir haben keine Erbhöfe, wir haben immer nur ein Mandat auf Zeit", sagte der NGG-Vorsitzende.

Auch sei es wenig glaubwürdig, wenn der DGB die Rente mit 67 ablehne, selbst aber bei der Vorstandswahl ein anderes Signal setze.

"Sehr betroffen"

Für die IG Metall hatte sich der Delegierte Rolf Röder überrascht geäußert. Er sagte, Engelen-Kefer habe noch am Morgen der Gewerkschaftsspitze signalisiert, sie wolle nicht antreten. Die unerwartete Kandidatur habe ihn "sehr betroffen" gemacht.

Signal an die große Koalition

Mit Sehrbrock hat erstmals ein CDU-Mitglied den stellvertretenden DGB-Vorsitz inne. Ihre Wahl wurde auch als Signal an die große Koalition im Bund gewertet.

DGB-Chef Michael Sommer war am Morgen mit 78,4 Prozent der gültigen Stimmen im Amt bestätigt worden. Sein Ergebnis fiel deutlich schlechter aus als 2002. Damals erhielt er 94 Prozent.

Zu Beginn des fünftägigen Gewerkschaftskongresses hatte Bundespräsident Horst Köhler am Montag die große Koalition ermahnt, Steuererhöhungen zur Senkung der Lohnnebenkosten einzusetzen.

Köhler ruft zu Gemeinschaftsanstrengung auf

Das Staatsoberhaupt hatte zu einer "großen Gemeinschaftsanstrengung" im Kampf gegen Arbeitslosigkeit aufgerufen.

Alle vier Jahre trifft sich der DGB zu einem Kongress. Die Veranstaltung unter dem Motto "Die Würde des Menschen ist unser Maßstab" soll die Weichenstellung für die Gewerkschaftspolitik der kommenden Jahre festlegen. Den Delegierten liegen zahlreiche Anträge zur Arbeitsmarkt-, Sozial- und Europapolitik vor.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) sowie die Vorsitzenden der Grünenfraktion, Renate Künast und der Linksfraktion, Oskar Lafontaine, wollen im Verlauf des Kongresses zu den Delegierten sprechen. Nicht eingeladen ist die FDP.

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