Devisen:Die Karawane macht kehrt

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Statt gegen den Dollar spekulieren Anleger nun gegen den Euro.

Von Martin Hesse

Die Niederländer könnten dem Euro den Rest geben. Angeschlagen ist die europäische Währung, seit die Franzosen am Sonntag die Verfassung der Europäischen Union ablehnten.

Die Devisenmärkte verstanden das negative Votum als Signal dafür, dass sich die wirtschaftliche Integration Europas verlangsamen und die Konjunktur weiter erlahmen könnte. Der Rücktritt von Frankreichs Premier Jean-Pierre Raffarin passte in das Szenario der Euro-Pessimisten. Stimmen am heutigen Mittwoch auch noch die Niederländer gegen das Vertragswerk, könnten Währungsspekulanten den Kurs weiter drücken.

Die Stimmung am Devisenmarkt hat sich gedreht, die Karawane kehrt um. Drei Jahre lang hatten die Anleger überwiegend gegen den Dollar spekuliert. Sie favorisierten andere Währungen wie den japanischen Yen und das britische Pfund - vor allem aber den Euro. Von Januar 2002 bis Ende 2004 gewann die Währung der 15 Euroländer fast zwei Drittel an Wert, am 30. Dezember 2004 erreichte der Kurs einen Rekord von 1,3667 Dollar.

"Die Zeit ist einfach reif"

Die Autohersteller stöhnten, weil sich VW-Golf, Porsche-Cayenne und Dreier-BMW im wichtigen Absatzmarkt USA nicht mehr so gut verkaufen ließen. Politiker riefen nach Eingriffen der Europäischen Zentralbank (EZB) zugunsten des Dollar.

Die EZB beließ es bei Andeutungen. Dennoch trudelt seit Anfang des Jahres der Euro, allein am Dienstag fiel er zeitweise um eineinhalb Cent bis auf 1,2312 Dollar. "Die Zeit ist einfach reif, nicht mehr auf den Euro zu setzen", sagte ein Devisenstratege lapidar.

Die Aussage verrät viel darüber, wie die Devisenmärkte ticken, an denen täglich Währungen im Wert von mehr als zwei Billionen Dollar gehandelt werden. Wechselkurse spiegeln theoretisch wider, wie stark sich zwei Volkswirtschaften nach Meinung der Anleger im Vergleich entwickeln werden. Doch natürlich haben sich nicht binnen Wochen die Aussichten für die Wirtschaft in den USA und Europa so grundsätzlich verändert, dass dies allein eine Wende beim Wechselkurs erklären könnte.

Noch immer häufen die Amerikaner und ihre Regierung Schulden an und leben über ihre Verhältnisse. Nur weil europäische Anleger und asiatische Zentralbanken ihnen im großen Stil Geld leihen, können sie mehr konsumieren, als sie herstellen.

Das Handelsdefizit, das deshalb seit Jahren wächst, galt bis vor kurzem als Argument, weshalb der Dollar weiter fallen werde. Andererseits wuchs auch in den Jahren der Eurostärke die europäische Wirtschaft langsamer als die amerikanische, die Haushaltsdefizite schwollen an, und politische Querelen schwächten die EU.

Volkswirte in jeder beliebigen Bank finden jederzeit Argumente für oder gegen einen starken Euro, die einander aufheben könnten. Doch an einem stagnierenden Kurs können Spekulanten nicht verdienen, ein Gleichgewicht des Kurses gibt es daher nur langfristig - und keiner weiß, wo es liegt. Anleger blenden daher oft einen Teil der Realität aus, um eine bestimmte Strategie zu rechtfertigen.

Einige Mutige preschen vor, Mitläufer springen auf, schließlich zieht ein Großteil der Karawane in eine neue Richtung. Nachrichten, die von der Schwäche Europas künden, werden Spekulanten in nächster Zeit dankbar aufnehmen - und die für Deutschland so wichtige Exportwirtschaft kann erst einmal aufatmen.

© SZ vom 01.06.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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