Deutschlands Wirtschaftsexperten:Streit der fünf Weisen eskaliert

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Mit Macht tragen einige der fünf Wirtschaftsexperten derzeit ihren Zoff in die Öffentlichkeit - ein ungewöhnlicher Vorgang für das ehrwürdige Gremium, das im Auftrag der Bundesregierung einmal jährlich den wirtschaftlichen Zustand und die Perspektiven des Landes beschreibt.

Von Marc Beise

Noch schweigt die Bundesregierung zu dem einmaligen Vorgang. Sie wird dies allerdings angesichts der Bedeutung des Gremiums und der finanziellen Ausstattung der Organisation und ihrer Mitglieder nicht mehr lange so halten können.

Die fünf Weisen von links nach rechts: Bert Rürup, Beatrice Weder di Mauro, Wolfgang Franz, Peter Bofinger und Wolfgang Wiegard. (Foto: Foto: AP)

Zu zerrüttet scheinen die Beziehungen der fünf Weisen des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage untereinander zu sein, als dass die Arbeitsfähigkeit des Gremiums noch gesichert wäre.

Schon länger gab es in Expertenkreisen Kritik an der Besetzungspolitik der Bundesregierung, die nach und nach allseits bekannte und prinzipientreue, von ihren Kritikern allerdings als "neoliberal" kritisierte Ordnungspolitiker durch jüngere, aber eher auf Spezialgebieten ausgewiesene Wissenschaftler mit sehr unterschiedlichem Temperament ersetzt hat.

Nach bereits einer Runde in neuer Besetzung (immer im Herbst gehen die fünf Weisen mit ihrem Mitarbeiterstab in eine vierwöchige Klausur) brechen die Konflikte nun offen aus.

Erst war es der Regensburger Finanzwissenschaftler Wolfgang Wiegard, der kurz vor Jahresende gegen seinen Ratskollegen Peter Bofinger aufbegehrte. Mit diesem könne man nicht zusammenarbeiten, so in Kürze der kalkulierte Wutausbruch in einem Interview, weshalb Wiegard mit Ablauf der Amtszeit 2006 ausscheiden will.

Prädikat "nicht teamfähig"

Jetzt hat sein Kollege Wolfgang Franz nachgelegt. Franz ist Arbeitsmarktexperte, Präsident des Mannheimer ZEW und anders als Wiegard ein langjähriges Mitglied im Sachverständigenrat und erfahren im Umgang mit vielen, auch früheren Mitgliedern.

Peter Bofinger, so Franz in der Welt am Sonntag, sei einfach "nicht teamfähig". Er habe mit seinem Verhalten die Institution des Rates beschädigt. Schon vor der Erarbeitung des Jahresgutachtens im Herbst habe sich Bofinger in vielen Interviews auf eine Meinung festgelegt, so dass er in der Sitzung des Gremiums nicht mehr kompromissfähig gewesen sei.

Kurz nach Veröffentlichung des Gutachtens habe er zudem ein Buch mit abweichenden Thesen veröffentlich: "Das war quasi eine Anti-Sachverständigenrats-Publikation", so Franz.

Schon Wiegard hatte Bofinger vorgeworfen, sich zu Themen zu äußern, von denen er nichts verstehe. Geld- und Währungsexperte Bofinger selbst, der dem Rat seit März 2004 angehört und wegen seiner Unbekümmertheit im Auftritt als "Lausbub im Rat" tituliert worden ist, sagte am Wochenende: "Ich fand die Zusammenarbeit eher harmonisch."

Er habe keine Front vier gegen einen beobachtet. Und weiter: "Herr Wiegard wird erkennen müssen, dass der Sachverständigenrat nicht sein Oberseminar ist, sondern ein Gremium von Menschen, die kompetent und natürlich mit verschiedenen Auffassungen diskutieren."

Vornehme Zurückhaltung

Pikant ist es, dass Bofinger in der Sache grundsätzlich eine nachfrageorientierte Position vertritt, während Wiegard wie die anderen drei Sachverständigen eher einen strikten Sparkurs der Finanzpolitik und angebotsorientierte Reformen befürwortet.

Bofinger nimmt auch in weiteren Bereichen - wie bei der Geld- oder Lohnpolitik - andere Positionen als die übrigen Ratsmitglieder ein. Im jüngsten Jahresgutachten hat er sich gegen weitere Einsparungen und für stärkere Lohnsteigerungen ausgesprochen.

Noch halten sich die beiden anderen Mitglieder des Rates, der Sozialexperte Bert Rürup sowie Neuling Beatrice Weder di Mauro, vornehm zurück. Letztere bekundet immerhin Unverständnis über den Streit.

Eine Kluft zwischen den beiden theoretischen Positionen der Ökonomie gebe es gar nicht mehr. "Aber es gibt in Deutschland eine Diskussion, die so tut, als sei das nicht so."

© SZ vom 3.1.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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