Deutschland:Einzelhandel lässt alle Hoffnungen fahren

Lesezeit: 2 min

Die Konjunktur mag sich hierzulande aufgehellt haben — doch in den Läden ist davon nichts zu spüren.

Angesichts anhaltender Kaufzurückhaltung der Verbraucher hat der Einzelhandel seine Hoffnung auf ein Wachstum im laufenden Jahr begraben.

"Die besser gewordene Konjunktur dringt nicht mehr bis zum Einzelhandel vor", sagte der Präsident des Hauptverbands des Deutschen Einzelhandels (HDE), Hermann Franzen, am Donnerstag in Düsseldorf.

Der HDE rechne nun für 2004 mit einem Umsatzrückgang von 0,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr - bisher war der Verband von einem Plus in derselben Größenordnung ausgegangen. Das ist das dritte Minusjahr in Folge.

Franzen kritisierte in diesem Zusammenhang das "anhaltende Verwirrspiel" um die Sozialreformen.

"Das schmerzt"

Durch den erwarteten Umsatzrückgang werden nach Schätzung des HDE-Präsidenten 2004 erneut 35.000 Stellen im Einzelhandel wegfallen. Bis zur Jahresmitte sank die Zahl der Beschäftigten demnach bereits um 30.000.

Der Personalabbau habe sich aber im Vergleich zum Vorjahr abgeschwächt, betonte Franzen. Die Zahl der Teilzeitbeschäftigungen habe sogar zugenommen.

Im zweiten Halbjahr 2004 werde sich die Beschäftigungssituation "ein wenig stabilisieren": Drei Viertel der Betriebe plane, die Mitarbeiterzahl auf dem gegenwärtigen Niveau zu halten.

Für das gesamte Jahr 2004 sei damit ein Beschäftigungsabbau von rund 35.000 Arbeitsplätzen zu erwarten. "Das schmerzt, ist aber deutlich weniger als im vergangenen Jahr, in dem der Branche 50.000 Beschäftigte verloren gingen."

Franzen zufolge büßte der Einzelhandel in den ersten sieben Monaten des Jahres fast eineinhalb Prozent Umsatz im Vergleich zum Vorjahr ein.

Die Diskussion über notwendige Einschnitte habe bei den Verbrauchern "ein Dauerstimmungstief" ausgelöst. "Unsere Prognose für 2004 von plus 0,5 Prozent Umsatz ist nicht mehr erreichbar." Die Verluste des ersten Halbjahres seien "eine zu schwere Bürde".

Franzen fügte hinzu, er rechne zwar für das zweite Halbjahr durch zwei zusätzliche Verkaufstage mit einem leichten Umsatzplus von rund einem Drittel Prozent. "Dies würde über das gesamte Jahr 2004 gerechnet das bisher aufgelaufene Minus auf minus 0,5 Prozent begrenzen." Damit werde 2004 "das dritte und hoffentlich letzte Jahr mit einem Umsatzrückgang in Folge sein".

Keine Prognose für das kommende Jahr

"Trotz eines im internationalen Vergleich hervorragenden Warenangebots und äußerst günstiger Preise bleibt der Run auf die Geschäfte aus", betonte der HDE-Präsident. So hätten bei der HDE-Konjunkturumfrage im Sommer unter 900 Unternehmen lediglich die Anbieter von Unterhaltungselektronik, Verbrauchermärkte und SB-Warenhäuser sowie in geringerem Umfang der Möbelhandel mehr Umsatzzuwächse als Umsatzrückgänge verzeichnet.

Als einen zentralen Grund für die Konsumzurückhaltung nannte Franzen die Ungewissheit über die Ausgestaltung der Sozialreformen.

Mittlerweile übersteige die Zahl der Reformprojekte bei weitem die Zahl der Fraktionen im Bundestag. "Wundern muss man sich nur über Politiker, die sich angesichts eines solchen Chaos ihrerseits wundern, dass die Einzelhandelskonjunktur nicht anzieht." Eine Umsatz-Prognose für das kommende Jahr wollte Franzen angesichts der "totalen Verunsicherung" nicht wagen.

Der HDE-Präsident plädierte allerdings dafür, "noch vor der Bundestagswahl Alternativkonzepte zur Kranken- und Pflegeversicherung auf der Basis der Vorschläge der Rürup-Kommission und der Herzog-Kommission sowie zur Reform der gesetzlichen Unfallversicherung zu entwickeln". Bei der Abstimmung darüber sollten die Abgeordneten "von ihrem Fraktionszwang entbunden werden"

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: