Deutschland:Der Biermarkt in Aufruhr

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Dosenpfand, die geplante Veränderung der Verpackungsordnung und sparsame Verbraucher: Deutschlands Bierbrauer raufen sich die Haare.

Auf dem deutschen Biermarkt geht es in diesem Jahr turbulent wie selten zu. Um zehn Prozent könnte 2003 der Branchenumsatz fallen, erwartet die Hamburger Holsten-Brauerei.

"Die Unsicherheiten stellen für die Branche und die Holsten-Brauerei eine erhebliche Herausforderung dar", sagte Vorstandschef Andreas Rost am Donnerstag in Hamburg. Eine Prognose sei nicht möglich. Im ersten Quartal ging der Bierverkauf in Deutschland um 10,5 Prozent zurück, bei Holsten im Inland um 11,5 Prozent.

Die Hauptsorge der Branche und des Marktführers gilt dem Dosenpfand und der geplanten Novellierung der Verpackungsverordnung.

Warten auf Trittin

"Bis zum 1. Oktober kann wohl kaum ein bundesweites Rücknahmesystem für Einwegverpackungen eingerichtet werden", sagte Rost. Der Handel werde nicht Milliardenbeträge investieren, ehe klar sei, welche Verpackungen einem Pflichtpfand unterliegen.

Das wolle Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) in einer neuen Verpackungsverordnung regeln, die zunächst durch das Gesetzgebungsverfahren muss. "Ehe das nicht abgeschlossen ist, wird es keine Rücknahme-Automaten geben", sagte der Holsten-Chef.

Der größte deutsche Bierkonzern (Holsten Pilsener, König Pilsener, Licher Pilsner, Lübzer Pils) ist vom Dosenpfand besonders betroffen, weil er bislang rund 45 Prozent seiner Ware in Dosen verkaufte. "Je nach Marke ist der Absatz in Einwegverpackungen um bis zu 70 Prozent zurückgegangen", sagte Rost.

Mehrweg-Absatz steigt kräftig

Im Gegenzug nahm der Mehrweg-Absatz um bis zu 35 Prozent zu, konnte aber die Einbußen nicht ausgleichen. Ob die Einführung eines Rücknahmesystems dem Dosenabsatz wieder auf die Beine hilft, ist nach Rosts Worten kaum vorherzusehen. Holsten reagierte auf die Marktveränderungen mit Einsparungen und Kurzarbeit.

Unabhängig vom Dosenpfand hat Holsten bereits in den vergangenen Monaten des vergangenen Jahres eine deutliche Zurückhaltung der Verbraucher bemerkt, vor allem in der Gastronomie. Zeichen für eine Wende des Verbraucherverhaltens seien nicht erkennbar. "Es gibt nach wie vor keine klare Linie aus Berlin, um die privaten Haushalte zu entlasten", sagte Rost.

Die Holsten-Brauerei kann sich dennoch auf der Ertragsseite annähernd stabil halten, weil sie einen Teil ihrer Umsätze im Ausland erwirtschaftet und auch alkoholfreie Getränke verkauft. So will der Vorstand auch in diesem Jahr wieder eine Dividende erreichen - "ob es gelingt, wissen wir nicht".

Im vergangenen Jahr erreichte die Holsten-Gruppe ein Umsatzplus von 2,6 Prozent auf 834 Millionen Euro und setzte im In- und Ausland 14,35 Millionen Hektoliter Getränke ab, davon 10,22 Millionen Hektoliter Bier. Der Marktanteil im Inland stieg von 8,5 auf 9,4 Prozent.

Der Vorsteuergewinn (EBT), der im Vorjahr noch leicht negativ war, stieg auf 18,9 Millionen Euro. Die Aktionäre sollen nach einem dividendenlosen Jahr wieder eine Ausschüttung von 45 Cent je Aktie erhalten.

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