Deutscher Mittelstand:"Die Banken kommen zu uns, nicht andersherum"

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Lange Zeit galten Mittelständler als bieder, provinziell und typisch deutsch. Seit der Finanzkrise sehnen sich selbst Politiker in Großbritannien nach einem eigenen Mittelstand. Der erfolgreiche Maschinenbauer Hans-Jochen Beilke erklärt, wieso langfristige Planung und der schwäbische Pietismus der Schlüssel zum Erfolg sind.

Christoph Giesen

"Auf der anderen Seite der Nordsee", schreibt die britische Tageszeitung Guardian , gebe es ein Land, das wirtschaftlich viel besser dastünde als das Vereinigte Königreich: Deutschland. Als Grund für den Erfolg haben die Briten den deutschen Mittelstand ausgemacht - Tausende von Familienbetrieben, das Rückgrat der deutschen Exportwirtschaft. Hans-Jochen Beilke, 61, ist der Vorsitzende der Geschäftsführung des Ventilatorenherstellers Ebm Papst im schwäbischen Mulfingen. Er kennt den deutschen Mittelstand gut. Bevor er 2006 zu Ebm Papst kam, arbeitete er bereits für zwei weitere mittelständische Unternehmen.

Hans-Jochen Beilke ist Chef des schwäbischen Ventilatorenherstellers Ebm Papst. (Foto: privat)

SZ: Ist der Mittelstand der Garant für Deutschlands ökonomischen Erfolg?

Beilke: Ohne Zweifel. Die unzähligen Familienbetriebe sind der Erfolgsmotor Deutschlands. Viele der Unternehmen sind in ihren Nischen Weltmarktführer. Einer unser großen Vorteile derzeit ist die hohe Exportquote. Während die Konjunktur in Europa durch die Schuldenkrise lahmt, machen wir einen Großteil unseres Umsatzes im Ausland. Außerdem benötigen wir im Gegensatz zu den großen Konzernen keine aufwendigen Strukturen und können langfristig planen.

SZ: Das angloamerikanische Shareholder-Value-Denken liegt Ihnen fern?

Beilke: Genau. Unsere Planungen sind langfristig, wir denken nicht von Quartal zu Quartal, sondern eher in Jahren. So haben wir uns trotz der massiven Aufwertung der chinesischen Währung entschieden, unsere Produktionskapazitäten in der Nähe von Shanghai aufzustocken. Das ist eine strategische Entscheidung, die erst einmal Geld kostet und sich aber in der Zukunft auszahlen wird.

SZ: Warum hat Deutschland einen so ausgeprägten Mittelstand?

Beilke: Ich glaube, das hängt auch mit der sozialen Verantwortung der Eigentümer für ihr Unternehmen zusammen. Man verkauft nicht einfach die Firma, um das schnelle Geld zu machen. Familienunternehmen haben eine lange Tradition. Entscheidend ist zumindest bei uns sicherlich der schwäbische Pietismus. Viele Unternehmer in Baden-Württemberg, dem Herzland des Mittelstandes, leisten sich zwar ein ordentliches Gehalt und ohne Frage auch ein schönes Auto. Aber kaum einer würde die Gewinne aus der Firma abziehen, um als Multimillionär mit Geld um sich zu schmeißen.

SZ: Schraubenkönig und Milliardär Reinhold Würth mit seinen Yachten und dem eigenen Flugzeug ist dann eine Ausnahme?

Beilke: Dazu äußere ich mich nicht. Ein Beleg für meine These ist die hohe Eigenkapitalquote des Mittelstandes. Bei Ebm Papst haben wir eine Quote von fast 40 Prozent. Die Banken kommen oft zu uns und fragen, ob sie uns nicht einen Kredit geben können und nicht andersherum.

SZ: Wo machen Sie derzeit die größten Geschäfte?

Beilke: Das Wachstum findet ganz klar in Asien statt. Wir machen dort schon fast 20 Prozent unseres Umsatzes. Und diese Quote wird sicherlich noch steigen.

SZ: Warum kaufen viele Chinesen gerne Maschinen und Produkte von deutschen Mittelständlern?

Beilke: Weil wir gute, zuverlässige Produkte anbieten, technisch immer voraus sind und als Weltmarktführer häufig alternativlos sind.

SZ: Aber die Konkurrenz in Fernost wächst?

Beilke: Wir haben einmal ausgerechnet, dass alleine Ebm Papst Produktpiraterie rund 150 Millionen Euro Umsatz im Jahr kostet. Unsere einzige Chance als Unternehmen ist es, innovativ zu bleiben. Wir müssen im Wettrennen mit der Konkurrenz immer die Nase vorne haben. Bislang gelingt das dem Mittelstand sehr gut.

SZ: Damit das weiterhin funktioniert, brauchen sie aber gut ausgebildete Kräfte. Wie überzeugen Sie junge Leute von der schwäbischen Provinz?

Beilke: Es wird zunehmend schwieriger, gute Ingenieure zu finden, doch bislang haben wir keine Sorgen. Wir rekrutieren unseren Nachwuchs in der Region. Außerdem haben wir an der Hochschule Heilbronn eine Stiftungsprofessur für Energiemanagement eingerichtet. Eine unserer zentralen Aufgaben als Unternehmen ist es, sicherzustellen, dass der Arbeitsort lebenswert ist. Wir setzen uns derzeit zum Beispiel dafür ein, dass die Gemeinde Mulfingen einen neuen Landarzt bekommt. Denn sonst verschrecken wir potentielle Bewerber.

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