Deutscher Kulturförderpreis:Explosion im Kopf

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Ruhelos wach, intensiv und stets auf der Suche - Kunst und Kapital haben trotz permanenter Ablehnung sehr viel gemeinsam. Kunstförderung ist ein Teil heutiger Unternehmenskultur.

Andreas Zielcke

Auffällig ist, wie unbeholfen viele Unternehmer ihr Motiv begründen, Kunstwerke zu sammeln. "Kunst", fasst die Leiterin der Sammlung der Schweizer Bank UBS den Antrieb ihres Engagements zusammen, "Kunst ist das, was das Leben schön macht."

Unternehmer als Kunstmäzen: Der Schraubenhersteller Reinhold Würth eröffnete in Schwäbisch-Hall eine neue Kunsthalle. (Foto: Foto: dpa)

Käme man heutigen Künstlern, egal welcher Couleur, damit, man wolle mit ihren Werken das Leben "schön" machen, wäre man ihrer Verachtung sicher. Keine Kategorie wird seit der künstlerischen Moderne so vehement abgelehnt wie die der "Schönheit".

Idealistischer, ästhetischer Traum

Würde der betende Hitler von Maurizio Cattelan, eines der Paradestücke der Sammlung des Unternehmers François Pinault, das Leben verschönern, was wäre das für ein makabres Leben? Schönheit, der idealistische ästhetische Traum, ist in der Kunst heute in der Regel nur ein Sarkasmus, nicht selten der bitterste.

Andere, wohl die meisten Manager, rechtfertigen den Aufbau firmeneigener Sammlungen damit, dass Kunstwerke ähnlich wie der schöpferische Geist des Unternehmens von "Innovation und Kreativität" zeugen und so Mitarbeiter zu weltoffener und eben kreativer Arbeit anregen.

Warum der Umweg über die Künste?

Wäre es so einfach, dann wäre die Kunst keine Kunst. Natürlich kommt diese nicht ohne Kreativität aus, aber das gilt für viele qualifizierte Tätigkeiten - jeder Politiker, jeder Anwalt, jeder Koch und vor allem jeder Manager ist kreativ oder er versagt. Warum also den Umweg über die Künste gehen?

Letztlich steckt hinter all diesen verunglückten Formulierungen der Wunsch, die Kunst möge dem Zweck und Selbstbild des Unternehmens dienlich sein. Vielleicht liegt hierin der größte Irrtum.

Dem unternehmerischen Denken fremd

Denn Künste können ihren Wert für Firmen nur entfalten, weil sie keinen Nutzen bringen, weil sie dem unternehmerischen Denken ganz und gar fremd sind und ihm als das definitiv Andere menschlicher Ausdrucksform gegenübertreten.

In den Künsten muss das kapitalistische Denken seinen Horizont überschreiten. In jedem Fall sind sie das Kontrastmittel zur unternehmerischen Rationalität: die RAF-Serie von Gerhard Richter, Installationen von Joseph Beuys - keines dieser Werke ist schlüssig, sie bleiben emblematisch und rätselhaft.

Ihr ästhetischer Reiz entwickelt sich aus inhaltlichen wie formalen Brüchen. Geltende Tabus zweifeln sie an, verkehren sie oder zeigen deren Sinn und Elend in einem.

Und schon gar nicht sind sie an festen Erfolgskriterien zu messen, auch als fertige Werke bleiben sie in Unruhe. "Als ich die ersten Bilder von Neo Rauch sah", erklärt der kalifornische Investor Michael Ovitz, "explodierten sie geradezu in meinem Kopf. Ich konnte nicht aufhören, über sie nachzudenken."

Was hat all das mit der Stringenz eines Businessplans oder der präzisen Aussage der Bilanz zu tun? Um der Sache näherzukommen, muss man sich die jüngere Entwicklung der Unternehmen und auch der Künste vor Augen führen.

Kunst als Investment

Seitdem man in den achtziger Jahren auf breiter Basis in Unternehmen begann, Kunstsammlungen aufzubauen, hat sich deren Zweckbestimmung mehrfach gewandelt.

War es am Anfang die persönliche Passion einzelner Unternehmer, die ihrer Kunstliebe mit Betriebsmitteln frönten, kam dann, befeuert vom Fieber der New Economy, die Idee auf, Kunst als Investment zu kaufen.

Phantastische Auktionsrekorde schienen dieser Strategie recht zu geben - inzwischen weiß man, dass der Gewinn im Schnitt nicht über dem der Aktienbörsen liegt, von der extremen Volatilität der Kunstpreise ganz abgesehen. Abgelöst wurde die Goldgräberphase durch das Konzept, das sich heute durchgesetzt hat: das Fördern der Künste als Faktor der Unternehmenskultur.

Nun also beschäftigen sich Unternehmen aktiv mit sich selbst als kulturelle Institutionen. Manche Traditionsfirma hat das seit Generationen gemacht, aber das war stets die Ausnahme.

Nach und nach schließt sich die Mehrheit der Unternehmer an, kümmert sich um die interne Betriebskultur und übernimmt, etwa durch die Förderung von Wissenschaft und Bildung, den Teil der gesellschaftlichen Mitverantwortung, der ihrer oft gewaltigen sozialen Wirkungsmacht entspricht.

Sie tut dies vor allem auch durch die Förderung der Künste. Treten Unternehmen aber selbst als Sammler von Kunstwerken auf, spielen sie zum Ausbau ihrer eigenen Unternehmenskultur ausgerechnet in dem Metier eine einflussreiche Rolle, in dem ihre geballte Kompetenz nichts wiegt, ja direkt in Frage gestellt wird, weil ihnen hier das unökonomische Denken par excellence entgegentritt.

Und damit nicht genug. Denn die andere Entwicklung betrifft die Künste selbst. Nachdem seit den siebziger Jahren alle künstlerischen Avantgarden ausgespielt haben, herrscht eine Anarchie der ästhetischen Stile und Moden. Weil aber keine Avantgarde mehr Richtung und Priorität des "Angesagten" vorgibt, bedeutet das Fördern und Wählen von Kunst heute, selbst als Schiedsrichter und Mitgestalter der ästhetischen Gegenwart auftreten zu müssen.

Auf beiden Seiten: "letzte Schärfe des Urteils"

Und das sollen gerade die leisten, denen dieses anti-kommerzielle, eigensinnige und auf gänzlich andere Referenzen gepolte künstlerische Arbeiten so fremd ist, wie es nur geht?

Die Antwort ist eine Spekulation, die von der Geschichte des Kunstmarkts von den feudalen Zeiten bis heute genährt und legitimiert wird: Offenbar gibt es nicht nur eine gehörige Behauptungskraft der Künste gegen ihre pekuniäre Vereinnahmung, sondern auch eine innere Verwandtschaft mit ihrem so kunstfernen Gegenüber, dem kapitalistischen Unternehmen.

Denn beide Seiten zeichnen sich gleichermaßen aus durch ruhelose Wachheit, stete Wandlung und Selbsterfindung, Zeitgenossenschaft, Intensität und die "letzte Schärfe des Urteils", wie es bei Gottfried Benn heißt, und natürlich durch strenge gestalterische Verantwortung vor sich selbst. Wer weiß, wer mehr vom anderen lernt.

Der Artikel von Andreas Zielcke ist Auftakt zu einer Serie, in der die SZ Wirtschaftsvertreter zu ihrer privaten Sammlung und ihrem Verhältnis zur Kunst befragt. Die Serie begleitet die Ausschreibung zum Deutschen Kulturförderpreis, den der Kulturkreis der deutschen Wirtschaft im Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und seine Partner Süddeutsche Zeitung und Handelsblatt 2007 zum zweiten Mal an Firmen verleihen, die sich besonders um die Förderung der Kultur verdient gemacht haben. Die Ausschreibung beginnt im April. Näheres dann unter www.kulturkreis.org.

© SZ vom 24.03.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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