Deutsche Konjunktur:Land ohne Wachstum

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Schlechte Perspektiven: Die deutsche Wirtschaft tritt einer Prognose der Europäischen Kommission zufolge nächstes Jahr auf der Stelle.

Angesichts der Finanzkrise und eines Einbruchs der deutschen Exporte hat die Kommission ihre Wachstumsprognose drastisch von 1,5 auf 0,0 Prozent gesenkt. Das teilte Wirtschaftskommissar Joaquín Almunia am Montag in Brüssel mit.

Prognose gekappt: Brüssel erwartet für Deutschland kein Wachstum mehr. (Foto: Foto: dpa)

In der Eurozone rechnet der Spanier nur noch mit einem Wachstum von 0,1 statt zuvor 1,5 Prozent, in der gesamten EU mit 27 Mitgliedstaaten mit 0,2 anstelle von 1,8 Prozent.

Großbritannien und Irland dürften in eine Rezession gleiten. Almunia rief insbesondere die Bundesregierung zum Handeln auf.

Deutschlands Staatsdefizit dürfte der Brüsseler Prognose zufolge 2009 0,2 Prozent betragen. Der Euro-Stabilitätspakt erlaubt maximal drei Prozent.

Weniger Steuern - mehr Nachfrage

"Deutschland hat einen mehr oder weniger ausgeglichenen Staatshaushalt und hat somit die Möglichkeit, die Steuerpolitik zu nutzen, um die Nachfrage zu stützen", folgerte Almunia.

"Das wird nicht nur von deutschen Investoren und Verbrauchern geschätzt werden, sondern auch anderswo aufgrund der Bedeutung der deutschen Wirtschaft in der Eurozone und in der EU." Es sei aber Sache der Bundesregierung, zu entscheiden, "wie und wann sie diesen Spielraum nutzen" wolle. "Sie hat das Glück und die Chance, einen solchen Spielraum zu haben", betonte der Spanier.

"Andere haben das nicht, weil sie ihre öffentlichen Finanzen in Zeiten der wirtschaftlichen Erholung nicht konsolidieren konnten."

Die Bundesregierung hatte zuletzt ihre eigene Wachstumsprognose für 2009 von 1,2 auf 0,2 Prozent gesenkt. Für das laufende Jahr erwartet Brüssel für Deutschland noch ein Wachstum von 1,7 Prozent.

Das Wachstum in der Eurozone dürfte 2008 1,2 Prozent betragen, in der EU 1,4 Prozent. Almunia sagte, er rechne erst Anfang 2010 mit einer leichten Erholung. Dagegen dürfte der Inflationsdruck in Folge der fallenden Ölpreise aber auch der sinkenden Nachfrage abnehmen.

Hohe Exportabhängigkeit

Grund für das deutsche Nullwachstum ist Brüssel zufolge auch die Exportabhängigkeit der Bundesrepublik.

Der Abschwung in wichtigen Partnerländern, die Probleme auf den Immobilienmärkten sowie der starke Euro dürften zu einer abrupten Verlangsamung des Export-Wachstums von 4,5 Prozent 2008 auf gut ein Prozent 2009 führen, hieß es im Herbstgutachten. Gleichzeitig hätten die hohen Nahrungsmittel- und Energiepreise der privaten Nachfrage einen Dämpfer verpasst.

Kurz vor Beginn eines Treffens der Finanzminister der 16 Euro-Länder an diesem Montagabend in Brüssel forderte Almunia ein abgestimmtes Vorgehen angesichts des Wirtschaftsabschwungs. "Wir möchten jetzt die Vorstellungen der Mitgliedstaaten hören und dann zu einem Konzept für ein gemeinsames Vorgehen auf EU-Ebene kommen", sagte er und fügte hinzu: "Wir brauchen Investitionen." Am Dienstag kommen zudem die 27 EU-Finanzminister zu Beratungen zusammen.

"Der wirtschaftliche Horizont hat sich beträchtlich eingetrübt", warnte Almunia. Die Finanzkrise ziehe Wirtschaft und Verbrauchervertrauen in Mitleidenschaft. Die Nachfrage aus den Schwellenländern sinke. "Wir brauchen auf EU-Ebene koordiniertes Handeln, um die Wirtschaft zu stützen, ähnlich dem, was wir im Bankensektor unternommen haben."

Trotz der Rettungspakete zahlreicher Mitgliedstaaten bleibe die Lage "prekär". "Unser Ziel muss es sein, den Abschwung zu begrenzen."

Insgesamt rechnet die Behörde im kommenden Jahr in fünf EU-Staaten mit einer Rezession. Neben Großbritannien mit einem Minus von einem Prozent und Irland mit einem Minus von 0,9 Prozent sind auch Spanien, Estland und Lettland betroffen. In Frankreich, Italien, Slowenien und Litauen rechnet Brüssel mit einer Stagnation.

Der Chef der europäischen Sozialistischen Partei PES, Poul Nyrup Rasmussen, forderte auf EU-Ebene abgestimmte Investitionsprogramme. "Europa braucht intelligentes, umweltbewusstes Wachstum und die EU-Kommission sollte Vorschläge dafür vorlegen", sagte Rasmussen.

"Unsere Bürger können es sich nicht leisten, zu warten." Der Kampf gegen den Klimawandel könne Millionen neuer und "grüner" Arbeitsplätze schaffen helfen.

© sueddeutsche.de/dpa/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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