Deutsche Chefkontrolleure:Der König ist tot, es lebe der König

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Aufsichtsratsvorsitzende von Dax-Konzernen haben ihre Bezüge seit 2005 um 40 Prozent erhöht. Rekordhalter ist derzeit Deutsche-Bank-Aufseher Paul Achleitner.

Der bisherige König ist nicht mehr im Amt. Ferdinand Piëch hat den Posten verlassen, auf dem er sich quasi selbst zum bestverdienenden Chef eines Dax-Aufsichtsrats gemacht hatte. Jahrelang hat der VW-Patriarch als oberster Kontrolleur von Volkswagen die Liste der Gehälter von Aufsichtsräten angeführt. Mit weitem Abstand. Im vorvergangenen Jahr hat Piëch als Chefkontrolleur knapp 1,5 Millionen Euro verdient. Doch der 79-jährige VW-Veteran hat im April des vergangenen Jahres seinen Posten nach einem Machtkampf im Unternehmen geräumt.

Im Jahr 2015 gab es einen neuen Spitzenreiter bei den Aufsichtsratsvorsitzenden. Bestbezahlter Aufsichtsratschefs war Paul Achleitner von der Deutschen Bank. Er bezog im vergangenen Jahr 808 000 Euro. Aber die Rangfolge wird sich im kommenden Jahr mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder ändern. Wenn sich die großzügige Gehälterpraxis in Wolfsburg nicht ändert, dürfte im kommenden Jahr Hans Dieter Pötsch, der im vergangenen Oktober den einstigen Piëch-Posten übernommen hat, auch beim Spitzengehalt der würdige Nachfolger werden.

Aber auch unterhalb der Volkswagen-Liga haben die meisten Aufsichtsratschefs im Dax wenig Grund zu klagen. Inzwischen werden sie für ihre Aufgabe, die oft nur eine Teilzeitbeschäftigung für ältere Herren, in Krisenunternehmen aber oft anspruchsvoll ist, angemessener vergütet als in der Vergangenheit. Im Durchschnitt verdiente ein Dax-Chef-Aufsichtsrat im vergangenen Jahr 356 000 Euro. Das hat die Frankfurter Beratungsgesellschaft HKP ausgerechnet. Darin ist die Summe der Zahlungen für VW nicht enthalten. Die Gehälter der Kontrolleure liegen damit weit unter den Bezügen der Vorstandschefs, die im vergangenen Jahr im Durchschnitt auf 5,8 Millionen Euro kamen.

Werner Wenning, Dr. Paul Achleitner und Prof. Dr. Ulrich Lehner sind die bestverdiendsten Multi-Aufsichtsräte. (Foto: ipad)

Aus den Zahlen ergibt sich, dass die Chefkontrolleure seit dem Beginn der Veröffentlichungspflicht für Managergehälter im Jahr 2005 ihre Durchschnittsbezüge um knapp 40 Prozent erhöht haben. Ein normaler Angestellter konnte nach Angaben der gewerkschaftsnahen HansBöckler-Stiftung in diesem Zeitraum sein Gehalt nur um 27 Prozent steigern. Pro Jahr entspricht das einer Einkommenserhöhung von 3,7 Prozent. In der gleichen Zeit haben die Vorstandsvorsitzenden ihre Bezüge pro Jahr nur um durchschnittlich 1,6 Prozent erhöht. Die HKP-Experten haben aber auch ausgerechnet, dass im vergangenen Jahr die Bezüge der Chefaufsichtsräte im Verhältnis zu 2014 um 8,7 Prozent zurückgegangen sind, zum ersten Mal, seit 2008 die Finanzkrise die Bilanzen der Unternehmen beeinträchtigte.

Im internationalen Vergleich sind deutsche Kontrolleure weit abgeschlagen

Aber auch für die Aufsichtsräte gilt, was bei den Vorständen nicht zu übersehen ist. Seit die Veröffentlichung der Gehälter vom Gesetz vorgeschrieben ist, sind die Bezüge nicht etwa - wie gewünscht - zurückgegangen, sondern sogar deutlich gestiegen. Top-Manager zu sein, ist in Deutschland sehr attraktiv geworden, und es kann auch lukrativ sein, einen Aufsichtsrat zu führen.

Es gibt schon einige Jahre einen Trend bei den Dax-Gesellschaften, die Bezahlung ihrer Aufsichtsräte zu verbessern. Das ist auch zu rechtfertigen. Konzerne wie die Deutsche Bank, Eon oder RWE stecken in massiven Krisen, das macht die Aufgabe der Aufsichtsratsvorsitzenden zeitaufwendiger, und die Zeiten, in denen die Aufsichtsräte sich viermal im Jahr trafen, ein wenig plauderten und die Vorstände im Wesentlichen gewähren ließen, sind vorbei.

Es bleibt aber ein Geheimnis der Managerkaste, warum ein VW-Aufsichtsratschef mehr als eine Million Euro im Jahr verdient und sich der Chefkontrolleur von Infineon mit 146 000 Euro zufriedengeben muss. Wolfgang Mayrhuber, der Mann des Münchner Chipherstellers, ist der einzige Aufsichtsratschef im Dax, der weniger als 200 000 Euro bekommt. Eine Daumenregel für die Bezahlung von Aufsichtsräten gibt es so wenig wie eine für die Gehälter von Vorständen.

Mayrhuber muss sich aber nicht grämen, die Verarmung droht dem Manager wohl nicht. Er hat noch einen anderen Aufsichtsratsvorsitz, den bei der Lufthansa, wo er von 2003 bis 2010 der Vorstandschef war. Er hat auch einen Sitz im Rat der Rückversicherung Munich Re. Das bringt ihm zusammen 657 125 Euro. Bestverdienender Aufsichtsratschef war, wenn alle Posten zusammengezählt werden, Werner Wenning. Der 69-Jährige kam bei Bayer und Eon, wo er jeweils Aufsichtsratschef ist, und bei Siemens, wo er den Posten des stellvertretenden Vorsitzenden bekleidet, auf 1,2 Millionen Euro. Zweiter Einkommensmillionär der Aufsichtsräte ist Paul Achleitner von der Deutschen Bank, der noch einen Nebenverdienst im Aufsichtsrat von Bayer hat.

Im internationalen Vergleich liegen deutsche Aufsichtsratschefs weit abgeschlagen. Paul Achleitner rangiert mit seinen Bezügen bei der Deutschen Bank nur auf Rang 16, während die deutschen Dax-Vorstandschefs im europäischen Vergleich einen Platz im Mittelfeld haben. Der Grund für die Schlechterbehandlung ist, dass es die Rolle eines deutschen Aufsichtsrates im Ausland nicht gibt. Im Ausland sind die Chefkontrolleure großer Unternehmen viel stärker ins Tagesgeschäft eingebunden. Das bringt erhöhten Zeitaufwand mit sich und bessere Bezahlung.

© SZ vom 22.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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