Deutsche Bahn:Große Pläne auf hoher See

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Die Deutsche Bahn will keine "nationale Eisenbahn" mehr sein. Das Unternehmen soll nach Vorstellung von Vorstandschef Hartmut Mehdorn künftig Marktführer im Gütertransport auf See werden.

Von Klaus Ott

Die Deutsche Bahn (DB) hat große Pläne auf hoher See. Das Staatsunternehmen will nach einem Börsengang die Nummer eins bei der Abwicklung von Transporten auf den Weltmeeren werden.

Riesige Container-Schiffe wie dieses im Hafen von Hong Kong könnten in Zukunft der Deutschen Bahn gehören. (Foto: Foto: Reuters)

Dieses Ziel nannte Konzernchef Hartmut Mehdorn, als er die Aufsichtsräte Ende 2004 über seine Strategie für die kommenden Jahre informierte.

Mehdorn kündigte an, er wolle die DB von einer "nationalen Eisenbahn" in einen "international führenden Mobilitäts- und Logistik-Dienstleister" umwandeln.

Der Schienenverkehr in Deutschland bleibe die Basis des Unternehmens. Eine immer größere Rolle werde künftig den erst von wenigen Jahren erworbenen Gütertransport- und Logistiktöchtern Stinnes und Schenker zukommen, die bereits jetzt im globalen Frachtgeschäft vorn dabei seien.

Zugang zum internationalen Kapitalmarkt

Beim Güterverkehr auf der Schiene und den Straßen liege die DB an erster Stelle, bei den Schiffs-Transporten sei man die Nummer drei und im Luftverkehr die Nummer fünf. Schenker und Stinnes sind profitabel, sie wachsen schneller und werfen höhere Gewinne ab, als ursprünglich geplant.

Dem Konzernchef genügt das nicht. Die DB strebe die "Marktführerschaft im Seeverkehr" und eine "Positionierung unter den Top vier im Luftverkehr" an, heißt es in Mehdorns Strategiepapieren für das Transport- und Logistikgeschäft.

Um voran zu kommen, sei ein "unbeschränkter Zugang zum internationalen Kapitalmarkt" unabdingbar. Die Eigenkapitalquote der Bahn sei gering, und der Bund als bisher alleiniger Anteilseigner werde das erhoffte Wachstum des Konzerns in Form von Investitionen sowie Akquisitionen anderer Transportgesellschaften nicht finanzieren können.

Deshalb führe kein Weg an einer teilweisen Privatisierung in Form eines Börsengangs vorbei. Nur mit Hilfe privater Investoren könne der Konzern erweitert und so "in der globalisierten Welt zukunftsfähig" gemacht werden.

Uneinigkeit über Expansions-Tempo

Die Bahn will laut ihren Strategiepapieren dabei auch zur Deutschen Post aufschließen und diese teilweise sogar überholen. Die Post ist als ehemaliges Staatsunternehmen bereits an der Börse notiert und zählt mit dem Tochterunternehmen DHL weltweit zu den führenden Anbietern im Frachtgeschäft.

Über das Expansions-Tempo gibt es unterschiedliche Ansichten im Bahn-Vorstand. Mehdorn will die DB bis zum Jahr 2008 an die Börse bringen, danach könnte die DB mit Zukäufen weiter wachsen.

Gütertransport- und Logistikchef Bernd Malmström möchte nach Angaben aus Aufsichtsratskreisen aber schon jetzt eine Milliarde Euro in den Ausbau dieses Geschäftszweiges investieren.

Interne Pläne sehen weitere Engagements in Europa, Amerika und Asien vor. In Europa sind Polen, Russland, Spanien, Italien und Teile des Balkans genannt.

Mehdorn: "Erst Schulden abbauen, dann investieren"

Aus dem Aufsichtsrat verlautet, Mehdorn habe wegen der hohen Verschuldung (14,5 Milliarden Euro) des Konzerns Investitionen in diesem Umfang nicht befürwortet. Bis zu einem Börsengang will Mehdorn mit den kalkulierten Gewinnen vor allem Schulden abbauen.

Malmström verlässt im Frühjahr die Bahn, nachdem zunächst vorgesehen war, den Vertrag als Vorstand bis Ende 2006 zu verlängern. Dann erreicht Malmström die Altersgrenze von 65 Jahren.

Gegenwärtig reicht die Kapitaldecke der Bahn nur aus, den heimischen Markt zu verteidigen. Kürzlich erwarb der Konzern für 85 Millionen Euro die Schienen- und Hafenverkehre des Kohle-Konzerns RAG und eine weitere Beteiligung.

Steinkohle-Transporte

So sicherte sich die Deutsche Bahn umfangreiche Aufträge für Steinkohle-Transporte bis Ende 2012, darunter Güterverkehre aus Amsterdam, Rotterdam und Antwerpen. Laut DB-Unterlagen hatte die RAG ursprünglich exklusive Verhandlungen mit der polnischen Staatsbahn PKP vereinbart, ehe die Deutsche Bahn doch zum Zuge kam.

Mehdorn warnt intern, insbesondere durch die Osterweiterung der EU müsse sich die DB auf neue Konkurrenten einstellen, die "in Deutschland ihre Chance suchen". Das gilt auch bei Personenzügen. Die Bundesländer, die den Nahverkehr organisieren, wollen mehr und mehr Linien ausschreiben, auf denen derzeit noch die DB fährt.

Umgekehrt plant die Deutsche Bahn laut Mehdorns Strategiepapieren, in "ausgewählten Ländern" in Europa eigene Personenzug-Linien anzubieten, um auch in diesem Markt mitzuhalten und zu wachsen.

Stolpe stellt sich hinter Mehdorn

Ob Mehdorns Pläne gelingen, hängt stark von den Konzerngewinnen in den nächsten Jahren ab. Der Überschuss soll von 200 Millionen Euro im vergangenen Jahr bis 2009 auf knapp 2,3 Milliarden Euro steigen.

Das Bundesverkehrsministerium hatte in einer Vorlage für Ressortchef Manfred Stolpe jedoch große Zweifel an dieser Prognose geäußert (SZ vom 24.1.). Darauf verlangte Norbert Hansen, Vorsitzender der Bahngewerkschaft Transnet und Vizechef im Aufsichtsrat der DB, Stolpe müsse dem Vorstand vertrauen oder ihn auswechseln.

Vergangene Woche sprach sich Stolpe mit Mehdorn und Hansen aus. Anschließend erklärte der Verkehrsminister öffentlich, die Bahn sei "auf einem guten Weg". Stolpe lobte die Strategie des Vorstandes und fügte hinzu, "wir wollen eine starke Bahn".

© SZ vom 7.2.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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