Deutsche Autoindustrie und Klimaschutz:Tadel von der Kanzlerin

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Nachdem die frühere Verbraucherschutzministerin Künast die hiesige Autoindustrie hart kritisiert hat, müssen sich Deutschlands Autobauer nun auch missbilligende Bemerkungen von Kanzlerin Merkel gefallen lassen.

Angesichts des Klimawandels hat Bundeskanzlerin Angela Merkel die Autoindustrie eindringlich zur Entwicklung energiesparender Motoren aufgerufen.

Würde sich mehr Innovationsfreude wünschen: Kanzlerin Angela Merkel. (Foto: Foto: dpa)

In ihrem am Samstag veröffentlichten Video-Podcast appellierte Merkel zugleich an den deutschen Erfindergeist: Nötig sei "die gesamte Kreativität unserer Forscher und Ingenieure".

Deutschland wolle bei den Abgaswerten "mehr als bisher Vorreiter sein, und deshalb ermuntern wir alle, durch Innovation, durch Kreativität völlig neue Wege zu gehen".

"Nicht hinterherlaufen"

Deutschland sollte Entwicklungen nicht hinterherlaufen, forderte die Bundeskanzlerin. "So wird Energieeffizienz auch in der Automobilindustrie Arbeitsplätze der Zukunft sichern." Das gelte auch für den Bereich der Energieerzeugung und für das Heizen.

Die Passauer Neue Presse berichtete zudem unter Berufung auf Teilnehmerkreise, dass Merkel im CDU-Präsidium moniert habe, die Autokonzerne hätten wichtige technologische Entwicklungen bei Benzinverbrauch und Schadstoffausstoß versäumt. Die deutschen Autobauer seien zuletzt "nicht immer an der Spitze der Innovation" gewesen.

Nach Einschätzung des Verkehrsexperten Ferdinand Dudenhöffer könnte tatsächlich vor allem die Zulieferindustrie von Neuentwicklungen von Motoren, Getrieben und anderen Fahrzeugteilen für sparsamere Autos profitieren und bis zu 50.000 neue Arbeitsplätze schaffen.

Nur 25 deutsche Modelle halten neuen Grenzwert ein

Derzeit wird der neue EU-Grenzwert nach einem Bericht der Auto Motor und Sport von 113 Fahrzeugmodellen in Deutschland eingehalten, von denen nur 25 von deutschen Marken kommen.

Oppositionspolitiker forderten derweil den Umstieg auf Öko-Dienstwagen. Merkel erklärte: "Ich fordere alle Entwicklungsingenieure in der starken Automobilbranche in Deutschland auf, alles daran zu setzen, neben vielen anderen Aspekten für ein gutes Auto auch den Aspekt effizienten Verbrauchs von Sprit bei der Entwicklung des Autos zu bedenken und ganz oben auf die Prioritätenliste zu setzen."

Auf der Münchner Sicherheitskonferenz verwies die Bundeskanzlerin zudem auf die sicherheitspolitischen Auswirkungen des Klimawandels wie Flüchtlingsströme und Kriege.

Bush bittet Kongress um Unterstützung

In Washington bat unterdessen US-Präsident George W. Bush den Kongress um Unterstützung bei der Umsetzung seines Ziels, den Benzinverbrauch in den Vereinigten Staaten in den nächsten zehn Jahren um 20 Prozent zu senken.

Die von der EU für 2012 geplanten neuen Abgasgrenzwerte werden nach Einschätzung Dudenhöffers zum Konjunkturmotor für die Zulieferbranche, wie die Automobilwoche berichtete.

Der Umsatz der europäischen Zulieferindustrie könnte sich nach einer Modellrechnung für das Blatt bis 2012 schrittweise um etwa neun Milliarden Euro jährlich erhöhen.

Smart Fortwo laut Bericht am sparsamsten

Das spritsparendste der insgesamt 25 deutschen Automodelle, die laut Auto Motor und Sport derzeit die geplanten Grenzwerte einhalten, ist dem Blatt zufolge der Smart Fortwo in der Diesel-Ausführung mit 90 Gramm CO2-Ausstoß pro Kilometer, gefolgt vom VW Polo BlueMotion (102 Gramm) und dem Toyota Prius (104 Gramm).

Noch am besten schneidet dem Bericht zufolge Ford mit insgesamt elf Modellen unterhalb des neuen Grenzwertes. Opel folgt mit sechs, VW mit vier und BMW mit zwei Modellen. Mercedes und Audi haben jeweils nur eines.

Oppositionspolitiker fordern unterdessen von der Bundesregierung einen schnellen Umstieg auf klimaschonende Dienstwagen. "Wer anderen auferlegt, dass er sich ökologisch verhält, muss mit gutem Beispiel vorangehen", wird der verkehrspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Horst Friedrich, in der Passauer Neuen Presse zitiert. Die Bundestagsfraktion der Grünen stellte sich hinter die Forderung.

Kritik an Künast

Der Aufruf von Grünen-Fraktionschefin Renate Künast, umweltfreundliche Hybrid-Autos des japanischen Herstellers Toyota zu kaufen, ist bei anderen Parteien und in der deutschen Autoindustrie auf Kritik gestoßen.

"Ein Verbraucher-Boykott gegen deutsche Autos ist eine billige und populistische Forderung", sagte Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) der Passauer Neuen Presse.

SPD-Chef Kurt Beck sagte der Zeitung, er halte nichts von "spektakulären Effekthaschereien". Deutschland sei ein Automobilland, "dem man mit Kaufempfehlungen für ausländische Wagen wahrlich keinen Gefallen tut".

Auch aus Union und FDP hagelte es Vorwürfe. "Ohne Frage erwarten wir von der Autoindustrie, dass sie ihre Anstrengungen verstärkt, schadstoffarme und spritarme Antriebe zu entwickeln", sagte Hans- Peter Friedrich (CSU), stellvertretender Vorsitzender der Unions- Bundestagsfraktion, den Ruhr Nachrichten. "Wenn aber eine deutsche Politikerin Werbung für ausländische Unternehmen macht, ist dies der falsche Weg".

"Unglaublicher Vorgang"

Der Partei- und Fraktionsvize der FDP, Rainer Brüderle, sagte der Zeitung: "Es ist ein unglaublicher Vorgang, wenn eine ehemalige Bundesministerin quasi zum Boykott deutscher Autos aufruft."

Künast hatte in der Financial Times Deutschland gesagt, solange die deutschen Autohersteller nicht umsteuerten und klimaverträglichere Fahrzeuge mit niedrigen Abgaswerten herstellten und auch entsprechend bewerben würden, könne sie nur raten: "Leute, kauft Hybrid-Autos von Toyota!"

Anschließend sagte sie Spiegel Online, sie habe nicht damit gerechnet, dass ihre Äußerung als Boykott-Aufruf gewertet werden würde.

"Künast hat offenbar noch Informationsbedarf"

Ein Sprecher des Verbands der Automobilindustrie (VDA) sagte der Augsburger Allgemeinen: "Frau Künast hat offenbar noch Informationsbedarf, denn es ist beileibe nicht so, dass deutsche Hersteller keine umweltfreundlichen Fahrtzeuge im Angebot haben."

Laut Berliner Zeitung fuhr Künast während ihrer Amtszeit als Bundesverbraucherministerin selbst einen Audi A8 TDI. Das Auto habe zwar einen Dieselrußfilter gehabt, sei aber mit 326 PS nicht besonders umweltschonend ausgestattet gewesen.

Der Autoexperte Professor Ferdinand Dudenhöffer von der Fachhochschule Gelsenkirchen bezeichnete Künasts Äußerungen in der Saarbrücker Zeitung als "idiotisch".

"Mehrere neue Fahrzeuge mit Hybrid-Antrieb"

Die deutsche Autoindustrie setze stark auf neue, treibstoffsparende und umweltschonende Technologien, die auch dem Klimawandel gerecht würden. Alleine 2008 kämen mehrere neue Fahrzeuge mit Hybrid-Antrieb in verschiedenen Varianten auf den Markt, sagte Dudenhöffer.

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