6500 Euro. Zum ersten, zum zweiten" - und wumm - weg ist der Ulmer Hocker. Auktionator Askan Quittenbaum zuckt dabei mit keiner Wimper, obwohl man diesen Hocker in jedem gut sortierten Design-Möbelladen für 140 Euro kaufen kann: Gleiche Konstruktion, gleiches Material, genauso wie seine Erfinder ihn schon 1954 entworfen haben.
Dieser Hocker, der bei der Spezialauktion des Münchner Auktionshauses Quittenbaum "Höhepunkte der Designgeschichte - Made in Germany", für 6500 Euro den Eigentümer gewechselt hat, ist aber etwas Besonderes. Es ist ein bisschen wie mit dem Papst-Golf. Dieses Auto war ja auch nicht nur ein sechs Jahre alter Golf, sondern er war einmal zugelassen auf unseren Papst Benedikt. Deshalb war er plötzlich knapp 190.000 Euro wert.
Der 6500-Euro-Hocker gehörte Otl Aicher, und der ist so etwas wie der Papst der Piktogramme. Als Gestaltungsbeauftragter der Olympischen Spiele 1972 hat Aicher die stilisierten Sportart-Hinweiszeichen erfunden, die inzwischen Allgemeingut geworden sind. Das hat Aichers Po so aufgewertet, dass für seinen Hocker 6500 Euro geboten worden sind.
Der Laie staunt trotzdem. Für ihn ist das immer noch ein simpler Hocker aus Fichte und Buche, mit Kratzern, Wasserschäden und Kaffeeflecken auf dem Buckel. Und wenn einer dafür 6500 Euro zahlt, auch recht. Denn mittlerweile wurden schon ganz andere Preise gezahlt: Die Vase von Hans Christiansen ist für 16.500 Euro verkauft, drei Weißweingläser von Peter Behrens für 3400 Euro oder eine Modedame von Annie Offterdinger für 8200 Euro, es folgen noch ein Tisch von Gaetano Pesce für 25.000 Euro oder der Fiberglasverstärkte Polyester-Stuhl - großer Floris genannt - von Günter Beltzig für 14.000 Euro. Alles Höhepunkte der Designgeschichte, die nun einen neuen Eigentümer gefunden haben.
Aber es gibt auch Stücke, die in der Ecke stehen geblieben sind: Da sind zum Beispiel der Berlin-Stuhl von Gerrit Rietveld, Schätzwert 53.000 Euro, oder der Mendini-Sessel 'Poltrona di Proust' für geschätzte 45.000 Euro. Auch die Fotografie "Alter Schnee an der Landstraße" - um 1926 geschossen von Albert Renger-Patzsch - oder die zwei Fliesen von Peter Behrens für 800 Euro haben keinen Bieter gefunden.
"Heute Abend haben wir circa 40 Prozent der Objekte verkauft. Das ist ganz normal", bilanziert Auktionator Quittenbaum, nachdem er 424 Produkte fließbandartig in drei Stunden präsentiert hat. Wie gesagt, oft vergeblich: "Nun die Vase von Emile Gallé. Katalog-Nummer 8. Schätzpreis 15.000 Euro.(Pause, niemand im Saal hebt die Hand) Kein Interesse. Erstaunlich."
Wie es sich für eine gute Auktion gehört, wurden die Preise zeitweise aber ordentlich in die Höhe getrieben. Meistens per Telefon, denn wer mitbieten will, muss nicht persönlich erscheinen, er kann per Telefon über Mitarbeiter von Quittenbaum seine Gebote delegieren. "15.000 gegen Sie", heißt es dann, wenn ein höheres Gebot vorliegt. "Ich will 16.000 sehen", feuert Quittenbaum die Bieter an. "Der Klappstuhl geht mit 16.500 Euro ans Telefon", beendet Quittenbaum den Deal, wenn der Anrufer für den Klappstuhl von Hannes Meyer nicht mehr überboten wurde.
Manchmal sind die Verbindungen ins ferne Ausland nicht immer gut: "Do you say yes or no", fragt die Dame laut ins Telefon. Der Saal lacht. "Jetzt hat er einfach aufgelegt. Ihm ging das hier zu schnell." Der Saal nickt. Denn auch wenn nur 40 Prozent der Stücke verkauft worden sind, ist man am Ende ganz betrunken von der Preis-Rallye, torkelt in nächsten Kneipe: Ein Bier, bitte. Macht drei Euro für den Barmann.
Wer will, kann die nicht versteigerten Objekte noch im Nachverkauf erwerben.