Der Weg zur Übernahme:Swissair, Swiss, Größenwahn

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Die Schweizer Airline verliert ihre Selbstständigkeit - das hat sie im Wesentlichen selbst verschuldet.

Von Judith Raupp

Es war an einem Sonntag im Sommer 1999. Der Chef der damaligen Swissair, Philippe Bruggisser, traf sich mit einer Journalistin zum Interview.

Unmissverständlich machte er klar, dass er lieber in seinem Garten säße. Der Mann war sichtlich genervt. Als auch noch die Frage kam, weshalb er eigentlich lauter marode Fluggesellschaften aufkaufe, explodierte Bruggisser.

Die kleine Swissair könne nun mal nicht die Lufthansa erwerben, polterte er. Ob sich die Investments der Swissair in kleine Airlines lohne, werde sich in ein paar Jahren zeigen. Heute sind alle klüger.

Bruggissers Strategie war falsch. Die Swissair wird abgewickelt und die Nachfolgegesellschaft Swiss muss unter die Flügel von Lufthansa schlüpfen.

Schmach für die Schweiz

Die Schweiz ist damit ohne selbstständige Fluggesellschaft - eine Schmach für die Menschen in diesem stolzen Land. "Ihre" Swissair, Gradmesser für die Befindlichkeit der ganzen Nation, wird verscherbelt. Ausgerechnet an die Deutschen.

Die Geschichte der Swissair beginnt am 26. März 1931. Die beiden Fluggesellschaften Balair und Ad Astra Aero fusionieren zur Swissair. Sie ist zunächst in Europa unterwegs.

1947 hebt die Swissair zum ersten Langstreckenflug nach New York ab. Der Staat stützt die Swissair mit Subventionen und Kapitalbeteiligungen.

Ende der fünfziger bis zu den siebziger Jahren wächst die Swissair stetig und schafft sich weltweit eine hohe Reputation. Mit der internationalen Achtung steigen allerdings auch die Selbstüberschätzung und die Überheblichkeit.

Beitritt zu Allianzen abgelehnt

Nachdem die Schweizer am 6. Dezember 1992 gegen den Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum gestimmt haben, gerät das Swissair-Management unter Druck. Wie kann die Airline abseits eines vereinigten Europas bestehen?

Der Geheimplan "Alcazar" des seinerzeitigen Swissair-Chefs Otto Loepfe soll aus dem Dilemma führen: Swissair, Austrian Airlines, die niederländische KLM und die skandinavische SAS planen langfristig ihre Fusion. Als das in der Schweiz bekannt wird, erhält Loepfe öffentlich Schelte. Projekt "Alcazar" wird 1993 begraben.

Vier Jahre später tritt Phillippe Bruggisser an die Konzernspitze von Swissair. Sein Credo: Das Unternehmen soll selbstständig bleiben. Einen Beitritt zu einer der beiden großen Airline-Allianzen um Lufthansa oder British Airways lehnt er ab.

Kritiker warnen früh

Er kauft Beteiligungen an kleineren Fluggesellschaften und nennt den Verbund "Qualiflyer" - ein Kunstwort aus den englischen Begriffen für "Qualität" und "Flieger". Kritiker warnen allerdings vor einer Überschuldung.

Am 2. Oktober 2001 ist es so weit. Swissair meldet Konkurs an, die Flugzeuge bleiben am Boden. Weltweit sitzen 18.000 Passagiere fest, Bruggisser wird fristlos entlassen.

Private Unternehmen, darunter die Schweizer Großbanken UBS und Credit Suisse, die eidgenössische Regierung und die Kantone setzen zu Rettungsverhandlungen an.

Bei Swissair geht es währenddessen drunter und drüber, Chefs und Verwaltungsräte kommen und gehen. Ein Flugzeugabsturz am 25. November mit 24 Toten bringt die Airline noch mehr in Bedrängnis.

Ein Sanierungsplan nach dem anderen

Am 31. März 2002 hebt die Nachfolgegesellschaft der Swissair, die Swiss, ab. Unternehmen und Staat alimentieren sie mit 2,7 Milliarden Euro.

Die neue Fluggesellschaft kommt aber nicht aus der Verlustzone. Das Management legt einen Sanierungsplan nach dem anderen auf und vergisst darüber, eine tragfähige Strategie zu erarbeiten.

Das Swiss-Management unterlag dem gleichen Fehler wie einst die Swissair-Crew: dem Größenwahn.

2004 übernimmt der ehemalige Lufthansa-Manager Christoph Franz den Chefsessel bei der Swiss. Er hält am Sparkurs fest. Seit Beginn der Swiss wurde die Zahl der Beschäftigten um die Hälfte auf 6400, die Zahl der Flugzeuge von 133 auf 80 reduziert.

© SZ vom 23.3.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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