Der "Schauprozess":Ein Jour fixe für die Kontaktpflege

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Selten kamen sich bei einem Prozess Journalisten, Verteidigung und Staatsanwaltschaft so nahe wie bei dem Verfahren vor dem Düsseldorfer Landgericht.

Von Michael Kläsgen

Zu den Merkwürdigkeiten des Mannesmann-Prozesses gehört, dass sich Verteidiger und Staatsanwälte gegenseitig vorwerfen, das Verfahren zu einem "Schauprozess" gemacht und die Medien instrumentalisiert zu haben.

Klaus Esser und sein Anwalt. Der Ex-Mannesmann-Vorstandsvorsitzende beklagte bisweilen ein Spießrutenlaufen. Foto: dpa (Foto: N/A)

Auffällig ist, dass sich beide Seiten darüber aufregen — und beide haben Recht. Den Verteidigern stießen vor allem zwei Dinge auf:

Vorwurf der Käuflichkeit

Der Düsseldorfer Generalstaatsanwalt Lothar Sent verriet dem Spiegel im Frühjahr 2001, dass gegen den ehemaligen Mannesmann-Chef Klaus Esser ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird, noch bevor dieser selbst davon erfuhr.

Und der Leitende Oberstaatsanwalt Hans-Reinhard Henke berief im Frühjahr 2003 eine Pressekonferenz ein, auf der er von der Käuflichkeit Essers sprach. Das machte Schlagzeilen, denn im bevorstehenden Prozess sollte es "nur" um Untreue gehen.

Schmerzensgeld für Esser

Beide Vorfälle führten dazu, dass dem Angeklagten Esser wegen der Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte Schmerzensgeld gezahlt werden musste. Die Staatsanwaltschaft erlegte sich während des Verfahrens ein Schweigegelübde auf — jedenfalls innerhalb des Landgerichts.

An keinem einzigen der 36 Verhandlungstage saß ein Pressesprecher der Ankläger im Gerichtssaal und kommentierte in den Pausen das Geschehen, wie es die Verteidiger taten.

Am Telefon hingegen war die Behörde auskunftsfreudiger. Nachdem das Gericht Ende März angedeutet hatte, die Angeklagten freisprechen zu wollen, sah sich die Staatsanwaltschaft gezwungen, in die Offensive zu gehen und Journalisten von der Richtigkeit ihrer Version zu überzeugen.

Das war keine leichte Aufgabe, denn die drei Ankläger gaben vor Gericht ein eher unglückliches Bild ab. Die Verteidiger hatten es da leichter. Fast jede Pause nutzten sie, um den Gerichtsreportern auf dem Flur ihre Interpretation einzuflüstern.

Ein Lächeln auf den Lippen

Klaus Esser ließ es sich in der Regel nicht nehmen, mit einem Lächeln auf den Lippen das Verfahren persönlich zu kommentieren. Im Laufe des Prozesses lernte er einige Journalisten so gut kennen, dass er sie mit Namen ansprechen konnte.

Das Medieninteresse war so groß wie bei keinem anderen Wirtschaftsstrafprozess zuvor. Agentur-Journalisten waren an jedem einzelnen Verhandlungstag zugegen.

Die Deutsche Bank maß dem Prozess sogar eine so große Bedeutung zu, dass die Presseabteilung in Frankfurt einen Stab von Mitarbeitern bildete, der sich nur um den Prozess kümmerte.

Der "Ackermann-Prozess"

Drei von ihnen reisten jede Woche nach Düsseldorf, um auf den Besucherstühlen im Gericht Platz zu nehmen. Über das Intranet hielten sie die Mitarbeiter der Bank weltweit auf dem Laufenden.

Die Bank setzte das Schicksal ihres angeklagten Chefs Josef Ackermann mit dem Schicksal des Instituts gleich — allein schon deshalb, weil manche Zeitungen im Finanzteil über den Prozess berichteten, wo sonst die Firmenberichte über Banken stehen.

Für das Geldinstitut selbst galt der "Mannesmann-Prozess" als "Ackermann-Prozess". Die verheerende Wirkung des Victory-Zeichens von Ackermann am ersten Verhandlungstag vermochte freilich selbst ein Großaufgebot von Pressesprechern nicht zu mildern.

Die Erklärung, Ackermann habe nur Michael Jackson bei dessen Gerichtstermin nachahmen wollen, machte die Sache nicht besser. Ansonsten fielen die Pressesprecher der Bank durch regelmäßige Anrufe in den Redaktionen auf; überdies verteilten sie eine gegen die Staatsanwälte gerichtete Dienstaufsichtsbeschwerde der Ackermann-Verteidiger an Journalisten, noch ehe der Justizminister überhaupt davon erfuhr.

Ein Glas Wein im Steigenberger Parkhotel

Zur Pressearbeit der Deutschen Bank gehörte auch, während des sechsmonatigen Prozesses einmal pro Woche abends zu einem Jour fixe in die Bar des Steigenberger Parkhotels im Düsseldorfer Zentrum einzuladen.

Unterhalten konnte man sich bei einem Glas Bier oder Wein allerdings nicht mit Ackermann, der dort auch übernachtete, sondern nur mit dessen Verteidigern.

Am Ende des Prozesses kam das Gerücht auf, Journalisten hätten in diesem Hotel auf Kosten der Bank gepflegte Drei-Gänge-Menüs verspeist. Wer das Gerücht streute, lässt sich kaum nachvollziehen. Nicht ausgeschlossen ist, dass auch dies Teil der Medienarbeit gewesen ist. Für die Bank aber wären die Unkosten ohnehin nur Peanuts gewesen.

© SZ vom 21. Juli 2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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